An einem Geburtstag meines Opas in den sechziger Jahren hielt er ein Geschenk in der Hand, das sich nach dem auswickeln als ein Fläschchen Parfüm entpuppte. Mein Opa hatte, kurz umschrieben, keinen Sinn für "Firlefanz und unnötige Ausgaben". Wobei „unnötig“ aufgrund einer von ihm subjektiven und für keinen anderen nachvollziehbaren Wertungsskala definiert war: Weißwandreifen für sein Auto waren darauf selbstverständlich kein Firlefanz. Der Erwerb von Geschenken war in dieser Hinsicht also ein Drahtseilakt.
Den anfangs unverständlichen Blick meines Opas konnte meine Großtante mit den Worten „Das ist für´s Auto“, beseitigen und dachte, den Sinn dieses Geschenkes damit verdeutlicht zu haben. Meinem Opa erschien das offensichtlich nachvollziehbar und nahm das Geschenk ohne Widerworte an. Die Nützlichkeit, an heißen Tagen auf ein Fläschchen Parfüm im Handschuhfach zugreifen zu können, bedurfte keiner weiteren Erklärung, dachte meine Tante, dachten alle, hatten alle verstanden. Mein Opa nicht.
An einem der nächsten Sonntage, an denen er regelmäßig und hingebungsvoll sein Auto wusch, da brachte er das Parfüm zum Einsatz und besprühte den kompletten Innenraum mit dem Geschenk. Das Armaturenbrett, die Sitze, einfach alles. Die Folgen waren desaströs, speziell der Ausbruch meines Opas. Alle hatten Schuld, die Familie hatte ihn auflaufen lassen und die impertinente Großtante ihm in voller Absicht das herrliche Auto versaut.
Es soll ein unglaublicher Gestank gewesen sein und der Wagen stand wirklich eine schöne Zeit nur mit geöffneten Fenstern hinten im Hof. An eine Nutzung war bei weitem nicht zu denken, ein Verkauf, was allen am vernünftigsten erschienen wäre, war mangels geruchsunempfindlicher Käufer schier unmöglich. Die Stimmung im Haus ging gegen Null und wehe, einer lachte. Im Laufe der Zeit kehrte Ruhe ein, diesbezüglich. Doch die ständige Angst blieb, diesen Duft, durch wen oder was auch immer hervorgerufen, im Beisein meines Opas wahrnehmen zu müssen, denn die schlichte Wahrnehmung sorgte bei dem ständig brodelnden Vulkan zu sofortigem Ausbruch.
Nicht auszudenken, wenn ihn eine Verkäuferin mit den Worten: „Darf ich Ihnen einen ganz besonderen Duft vorstellen“, auf jenem Fuß erwischt hätte, obwohl ich da doch gerne dabei gewesen wäre. Die Marke ist leider nicht mehr herauszubekommen und bei Nachfragen wird das Thema schnell durch „Ach Junge, jetzt lass doch diese ollen Kamellen“, beiseite gewischt.
„Du bist sicher wegen der Wohnung hier, na dann komm mal, ich habe leider nur kurz Zeit“, sagte die attraktive Frau und schloss den Hauseingang auf. Sie schritt die Treppe hinauf und ich folgte ihr, während sie weiter erzählte. Seit zwei Jahren sei sie nun in Berlin und verliebte sich vor fünf Monaten. Ihr Freund bekam in Berlin allerdings keinen Job und musste nach Frankfurt ziehen. „Das ist ja schade“, sagte ich und bedauerte die Existenz ihres Freundes.
Gegenwärtig sähen sie sich alle zwei Wochen, doch wurde sie jetzt entlassen und sucht nun ebenfalls in Frankfurt nach einer neuen Anstellung, so dass sie jetzt mit ihrem Freund zusammen ziehen könne. Sie führte mich durch die Wohnung, zwei Zimmer, 60 qm, Balkon, Parkett. Die Möbel würde sie zunächst gerne komplett hier lassen, bis auf ein paar Kleinigkeiten. „In der Küche kannst Du gerne rauchen, in der übrigen Wohnung wäre ich Dir allerdings dankbar, wenn Du darauf verzichten könntest. Du es tut mir wirklich leid, aber ich habe echt keine Zeit und muss schleunigst was zusammenpacken. Schau Dich einfach um und wenn Du magst, dann gehen wir kommende Woche einen Kaffee trinken und unterhalten uns ausführlich. Ich würde Dich natürlich auch gerne noch besser kennen lernen. Aber ich bin schon wirklich froh, Du bist mir echt super sympathisch. Hier in Berlin weiß man ja nicht, sind schon einige Irre unterwegs und man möchte auch nicht irgendwem seine Wohnung überlassen“, führte sie weiter aus und so wechselten wir noch einige Worte.
„Also ruf mich an“, sagte sie schließlich lächelnd und zog mich an sich, um mich mit Bussi zu verabschieden.
„Mann, ich warte hier jetzt geschlagene zwanzig Minuten auf Dich, wir hatten doch wohl 18.00 ausgemacht oder nicht, was soll denn das? Hörst Du Dein Handy eigentlich nicht? Und was hattest Du da in dem Haus zu suchen, kennst Du da wen?“, fragte mich der Freund mit dem ich hier ursprünglich verabredet war. „ Nur flüchtig, aber sag mal, kennst Du zufällig jemanden, der demnächst eine Wohnung braucht, teilmöbliert?“
treffen einen wie Blitze, sie kommen wie Brechstangen daher und öffnen bisher unbewältigte Geschichten, nicht zu Ende gebrachte Gedanken, verdrängte Erinnerungen, die bisher in gut verschlossenen Kisten tief im Unterbewusstsein vor sich hin moderten. Dort sollten sie bleiben, die Kisten, die die Verdrängungen beherbergen, über die doch nie wieder gesinnt werden sollte.
Immer und überall kann es kommen, Beschallung ist immer gegenwärtig und vorbereitet ist man ja ohnehin nie. Plötzlich spielen sie „unser Lied“, „das Lied“, ein ganz bestimmtes Lied eben.
Man sitzt alleine in einem Taxi, lässt sich durch das nächtliche Berlin fahren, betrunken und da kommt „es“. Glücklich sei der, dem die Bitte an den Taxifahrer, den Sender zu wechseln, schneller aus dem Mund schießt als Tränen in die Augen. Dennoch ist er jetzt da, der an das Lied gefesselte Augenblick, nur wenige Takte reichen aus und schon erflimmern die Bilder längst vergangener Zeiten, lassen sich nicht mehr Aufhalten, auch wenn die Musik schon nicht mehr spielt. Glückliche Stunden, Tage, Monate, Jahre. Vertraute Stimmen, lachende, weinende. Hervorgeschnellt kommen sie, Hand in Hand mit den Gefühlen jener Zeit, reißen einem den Boden unter den Füßen weg, ziehen einen in eine noch schwärzere Nacht. Die Kindersicherung verhindert eine unschöne Flucht.
„Also, einem Jagdkollegen meines Freundes ist was Komisches passiert“, begann meine Bekannte U. zu erzählen. Ihr Freund J. hat nämlich vor kurzem seine Jagdlizenz erhalten und begibt sich nun auf selbige, wenn ihm der Sinn danach steht. Im Ergebnis bringt er von diesen Jagdausflügen auch immer einiges mit, hauptsächlich skurrile Geschichten. Im Rahmen der letzten Zusammenkunft erzählte ihm nun ein Kollege von der Jagd eine missgeschickliche Begebenheit:
Ein Jagdkollege lief mit seinem Dackel also durch den Wald, was Jäger wohl so tun, wenn sie nicht gerade Jägermeister trinkend auf einem Hochsitz die Zeit totschlagen. Im Laufe dieser Pirsch, am Rande eines Wohngebietes, schoss plötzlich der Dackel wie von der Tarantel gestochen los und folgte einer Witterung, die seine Jagdinstinkte bis zum Geht-nicht-mehr geweckt zu haben schienen. Nach einer Weile kam der Dackel, stolz wie Lumpi, mit einem Hasen in der Schnauze zurück. Der Kennerblick des Jägers deutete das Felltier allerdings sofort als Fehlgriff seines kleinen Kampfdackels ein. Dieser Hase war mitnichten ein wildes Kaninchen, sondern ein wohlgenährter Haushase. Irgendwo in der Nachbarschaft, so dämmerte dem Kollegen, schrie und jammerte ein kleines Mädchen. Sein Kampfdackel hatte das Lieblingstier durch einen kräftigen Biss ins Genick ins Jenseits befördert.
Zumindest Gewissheit wollte sich der Kollege nun verschaffen und spähte anreihende Häuser nach einem leeren Hasenstall aus und richtig, schließlich fand er einen solchen, ein offener Stall, Stroh, ein Wasserbehälter, aber kein Hase.
Der Ort des Massakers war gefunden.
Nun könnte man sich jetzt natürlich zur Haustür begeben, ein missmutiges und entschuldigendes Gesicht ziehen und dem, der die Haustür öffnet, den toten Hasen mit den Worten: „Also meinem Dackel ist da eine kleines Malheur passiert, aber ich kaufe Ihnen/Dir natürlich einen neuen Hasen, einen viel schöneren“, entgegenhalten. Der Kollege entschied sich jedoch für eine ganz andere: Er nahm einfach den toten Hasen, kletterte über den Gartenzaun und legte ihn wieder dorthin, wo er eigentlich hingehörte, in den Stall. Zwar tot, aber immerhin. Hasen sterben nun mal, auch das sollte man seinen Kindern sicherlich mal erklären. Das ist der Gang der Dinge. Unbemerkt in seinem Tun führte der Kollege seinen Plan aus und war mit sich, seinem Dackel und der übrigen Welt wieder im Einklang.
Eigentlich könnte man diese Episode schon so bestehen lassen, doch zum Glück erfuhr der J. bei einem Einkauf noch ein weiteres, erhellendes Detail. „Also Herr J., mir ist ja letztlich was seltsames passiert“, erzählte ein Herr, der dem J. aus einem Verein bekannt ist. „Wir haben im Garten doch immer ein Kaninchen gehabt, na ja, und eines Morgens finde ich das Viech nun tot in seinem Stall. Da habe ich das Viech in den gelben Sack getan und an die Straße gestellt und war schon froh, das dass unsere Kleine das nicht gesehen hat. Und dann, das glauben´se nicht. Ich komm´ gegen Abend wieder in Garten, da seh´ ich doch das blöde Vieh, wie es wieder im Stall liegt. Der Stall war von außen geschlossen und das blöde Viech immer noch tot, also können sie sich das vorstellen? Da bin ich bis heute noch nicht hinter gekommen.“
„Das nervt echt“, sagte meine Begleitung an der Bar und versuchte eine Zigarette zu drehen. Sie ist gerade umgestiegen, von Kippen aus der Schachtel auf Tabak zum Drehen, weil billiger. „Darf ich“, fragte ich und bekam prompt den Tabak rübergeschoben und siehe da, es ging tatsächlich noch. Mehr schlecht als recht, aber immerhin. „Ich dache Du hast nie geraucht?“, fragte sie. „Tja, aber ich kann drehen“, und das kam so:
Auslöser war ein Traum, der mich am Anfang des Studiums überkam. Ich befand mich grippegeplagt im Bett und sah mitten in der Nacht den Malteser Falken. In diesem Film drehte Sam Spade, alias Humphrey Bogart, jede Menge Zigaretten. In dem durch das Fieber in der folgenden Nacht verursachte Traum ließ man mich nach meinem Ableben auf das Himmelstor zuschreiten. Dort stand ich und wartete in banger Hoffnung auf dessen Öffnung. Schließlich löste sich vor dem Tor ein Schatten und kam auf mich zu. Na klar, es war natürlich Sam Spade, seinen Hut und den Trenchcoat trug er selbstverständlich auch. „Kannste drehen?“, fragte der mich und deutete mit einem lässigen Nicken auf die große Pforte.
Und so begab es sich, dass ich mir Blättchen und Tabak kaufte und das Drehen übte. Sicher ist sicher, obwohl es schon sehr unwahrscheinlich ist, aber man weiß es ja nun einfach nicht.