Dienstag, 23. Januar 2007
Dienstag, 29. August 2006
Donnerstag, 24. August 2006
Ich schlage die Augen auf und warte,
dass die Sonne aufgeht...dass der Wecker klingelt...dass Zahnpasta aus der Tube kommt... dass der Kaffee durchgelaufen ist...dass das Wasser in der Dusche heiß wird...dass ich komme...dass die Post kommt...dass das Telefon klingelt...dass jemand meinen Anruf abnimmt...dass es endlich aufhört zu regnen...dass meine Kopfschmerzen aufhören...dass eine zweite Kasse aufmacht...dass das Wasser kocht...dass die Nudeln al dente sind...dass mein Stuhl fester wird...dass die Bananen anschlagen...dass heute Abend noch was passiert...dass meine Verabredung kommt...dass der Film anfängt...dass der Film aufhört...dass die Bedienung mir Bier bringt...dass die Schlange vor dem Club kleiner wird...dass ich mir im Club Bier bestellen kann...dass Musik zum tanzen gespielt wird...dass heute Nacht noch was passiert...dass mir nicht mehr so schlecht ist...dass ein Kurzstreckentaxi hält...dass das Taxi Zuhause eintrifft...dass Zahnpasta aus der Tube kommt... bis ich schlafen kann.
Dienstag, 22. August 2006
Bonn oder Berlin?
„...Laßt dem kleinen Bonn Parlament und Regierung! Bonn verliert mit Bundestag und Regierung viel. Berlin gewinnt mit Bundestag und Regierung viele neue Probleme: Wohnungsprobleme, Raumordnungsprobleme, Infrastrukturprobleme...Ersparen wir Berlin den Weg in die Megastadt! Sechs Millionen Einwohner rechnen heute schon Fachleute in wenigen Jahren für Berlin aus. Das ist ein Drittel der Bevölkerung der ehemaligen DDR. Berlin wird in zehn Jahren mehr Einwohner haben als Hamburg, München und Köln zusammen. Zwei Millionen Beschäftigte mehr erwartet die Industrie- und Handelskammer Berlin in den nächsten 20 Jahren. Schon spricht man mit neuem Selbstbewusstsein von der größten Industriestadt in Berlin zwischen Atlantik und Ural.“ (Norbert Blüm, CDU/CSU)
„Berlin ist zum jetzigen Zeitpunkt die Stadt in Deutschland mit den größten Spannungen . Wird Berlin noch größer - sagen wir: eine Fünfmillionenstadt -, so sind die sozialen Probleme nie mehr in den Griff zu bekommen. Die Preise in Berlin, z.B. die Grundstückspreise, würden auf Höhen schnellen, die denen von London, Paris oder Tokio ähneln. Auch dies führt - neben anderem - zu sozialen Problemen.“
„...die Liste von Sachargumenten ließe sich weit über meine Redezeit hinweg fortsetzen.“ (Dr. Sigrid Semper, FDP)
„Es muss vermieden werden, dass Berlin zu einem Moloch wie Rom, Paris oder Tokio wird.“(Klaus Brähmig, CDU/CSU)
„Berlin würde ähnlich wie in den zwanziger Jahren eine Stadt, die für Reiche lebenswert, für den kleinen Mann aber unerschwinglich würde. Aus dem nur 60 km entfernten Polen müssten Hunderttausende angeworben werden, um einfache Dienstleistungsfunktionen aufrechterhalten zu können." (Dr. Günther Müller, CDU/CSU)
„Fast alle Frauen, die mir ihre Meinung sagten oder schrieben, wollen Bonn und lehnen die hohen Umzugskosten ab, weil sie der Dritten Welt, den Familien, den Notleidenden verloren gehen...Jugend plädiert für Einigkeit durch Vielfalt und mag kein Hipp-Hipp-Hurra. Die regionale Vielfalt in Deutschland ist ihnen mehr wert als eine große Metropole, die alle anderen Städte und Regionen zweitklassig machen würde.“
„Ich sehe mich dabei bestätigt durch die vorherrschende Meinung der Frauen und besonders der Jugend.“ (Helmut Rode, CDU/CSU)
„Haben Sie auch einmal daran gedacht, was die Menschen in der Dritten Welt - die sich ehrlich mit uns gefreut haben über die Vereinigung Deutschlands - dabei empfinden würden, wenn wir einen fast komplett ausgebauten und funktionsfähigen Sitz von Regierung und Parlament stehen und liegen ließen, um für viele Milliarden das gleiche woanders zu errichten?“ (Hans Klein, CDU/CSU) ...
Donnerstag, 20. Juli 2006
Sympathy for the Devil
Irgendetwas tat sich dort vorne. Ein paar Gestalten huschten hinter dem Bühnenaufgang herum. Irgendein Typ hielt eine Gitarre an ihrem Gurt bereit, so dass man nur noch hineinschlüpfen musste. Dieses seltsame Gefühl, das ich nicht weiter beschreiben werde, aber immer Großartiges ankündigt, verstärkte sich und verschaffte mir eine Gänsehaut. Die Menge klatschte und jubelte, als plötzlich ein großer metallener Schlangenkopf Flammen ausspuckte, und sich Fackeln kurz zu einer Feuerwand am Rande der Bühne vereinigten. „If you start me up“, schrie jemand, der in einem langen roten Mantel aus den Rauchschwaden erschien. Die mir vor Beginn des Konzertes noch überproportional erscheinende Bühne bot dem Sänger tatsächlich gerade mal genug Auslauf. Er sprang, rannte, erkundete jeden Zentimeter der riesengroßen Bühne. Diese unglaubliche Energie - mehr als nur Attitüde, es war ernst, war Lebenselixier, übertrug sich auf das Publikum, und ich war fassungslos begeistert. Nach viel zu kurzer Zeit verschwand dieses Ereignis, wie es gekommen war: Im Rauch eines abschließenden Feuerwerkes, die Euphorie blieb.
Mein Abitur lag noch Jahre entfernt, als ich zum ersten Mal 1989 diese Band live spielen sah.
Nur widerstrebend ließ mich mein Vater überhaupt zu diesem Konzert: „Was, die spielen noch? Geh´da bloß nicht hin! Da sind immer ganz komische Leute auf diesen Rockkonzerten. Lass Dir keine Drogen andrehen. Der Sänger von der Gruppe ist übrigens sehr seltsam. Zieht immer ganz komische Klamotten an und steckt sich das Mikrofon vorne in die Hose“, erklärte mein Vater, der früher die Beatles gehört hatte und Platten jener Herren aus Überzeugung vermied. Mein Vater erzählte von seiner Jugend, von seiner Musik, während er seinen Sohn mit dem Auto zu jener Band brachte, die seine Generation in jungen Jahren nicht unwesentlich beeinflusst hat. Und schließlich sogar seinen Sohn noch aus seiner musikalischen Apathie erwecken konnte.
Gleich am nächsten Tag rannte ich los, kaufte mir eine Handvoll Schallplatten, um alle Lieder des Abends noch einmal hören zu können. „Na da hast´e die ja noch mal gesehen“, sagte der Plattenverkäufer zu mir. „Die kommen bestimmt nicht wieder, so zittrig, wie Keith Richards die Gitarre gehalten hat.“ Zu Hause drehte ich die Anlage meines Vaters auf und hörte meine frisch erworbenen neuen alten Platten. Dazu schnappte ich mir ein Mikrofon und spielte das Konzert nach. Machte diese Gesten, tobte durch das Wohnzimmer, bis ich mich völlig erschöpft auf dem Boden niederließ. Ich hatte nicht mal die Hälfte des Konzertes geschafft. Mick Jagger, der so alt wie mein Vater ist, hatte offensichtlich wesentlich mehr Kondition als wir beide zusammen. Ich besorgte mir Artikel, Bücher und verfolgte musikalisch jeden Namen, den ich im Zusammenhang mit den Rolling Stones irgendwann, irgendwie vernahm. So fand ich Jimi Hendrix, Iggy Pop, David Bowie, Lou Reed, The Clash und begann Musik als ständigen Begleiter zu instrumentalisieren. Als Freund, als Schwert, als Argument und als Straße für Träume.
Siebzehn Jahre sind seitdem vergangen, und sie sind doch wiedergekommen. Zum fünften Mal werde ich sie am kommenden Freitag sehen. Hier in Berlin, die Glimmer Twins. Zu ihrem „A Bigger Bang“ im Olympiastadion. Gerne würde ich sie in einem kleinen Club auftreten sehen, was sie während ihrer Touren ja immer wieder tun. Ich bin bis heute nicht dahintergekommen, wie an solche Karten ranzukommen ist. Allerdings macht es auch keinen großen Unterschied. In diesen siebzehn Jahren ist zwar unglaublich viel passiert, doch Jagger wird das tun, was er immer tut, so oder so. Er ist immer noch so alt wie mein Vater und unsere Fitness wird der Jagger'schen immer noch um Jahre hinterher hinken. Das Konzert wird wieder eine Steigerung des bisher Dagewesenen sein, und am Ende wird der Rauch durch das Stadion wehen.
Warum machen sie das? Weil sie es können, und es sonst kein anderer machen kann? Weil Jagger sehen möchte, wie wohl eine Milliarde auf seinem Kontoauszug aussehen mag? Weil sie einfach Spaß dabei haben und sich sonst langweilen würden? Weil sie sich auf der Bühne wirklich jung fühlen und das unvermeidliche Ende verdrängen können? „Weil wir wissen wollen, wie lange wir diesen Zirkus noch treiben können?“, wie es Keith Richards mal ausdrückte? Weil die Suche nach Befriedigung immer noch nicht zu Ende ist?
„God Gave Me Everything I Want“, rockt Jagger auf einem seiner Soloalben, und vielleicht tut er auch nur einfach das, was er immer gewollt hat. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.