Freitag, 24. März 2006

Back on the streets

Alle sind sie wieder da, auferstanden schon am Vormittag, um ein paar von den ersten, längst überfällig gewordenen Sonnenstrahlen einzufangen. Denn endlich scheint sie wieder, die Sonne und es lässt sich tatsächlich aushalten, hier, vor den Cafés rund um den Helmholtzplatz. Die bisher vorherrschende Tristesse einsamer Bürgersteige wird verdrängt durch die vielen frisch aufgestellten Tische, die natürlich umrahmt sind vom sonnenbebrillten Berlin-Style-Volk. Sonne für die Seele. Der graue Schleier der letzten Wochen, der sich wie von Geisterhand verzieht und den Weg freigibt für einen lachenden Blick. Fast heimtückisch tauchte es auf, als ob ein saunierter Körper ohne Vorwarnung in Eiswasser gestoßen wird, dieses lang vermisste Glückshormone freisetzende Gefühl, dass einfach alles perfekt erscheinen lässt. Aber jetzt ist es endlich da, und jeder hier weiß, dass ab jetzt wieder alles gut ist.

Die Sonne genießen, Augen schließen und den Kopf zurücklehnen. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee. Die Entspannung verbreitet sich im ganzen Körper und vertreibt wirklich noch den letzten Rest des winterlichen Trübsals.

Plötzlich lässt mich ein allseitiges Raunen und Wispern innerlich hochfahren. Die Sonne blendet zwar, doch versucht mein Blick ganz automatisch einen kleinen schwarzen Schatten zu erkennen, der sich langsam auf uns zu bewegt. Und nicht nur mein Blick haftet an jenem Punkt.
Der Ernst des Lebens, ist er es, der sich hier nähert? Vorsicht, Freundchen, wir lassen uns hier nicht vertreiben. Nicht heute und schon gar nicht jetzt, wir sind gerade selbst erst angekommen in der schöneren Hälfte des Jahres. Verschwinde, so lange Du noch kannst. Wir sind deutlich in der Überzahl, wir sind uns einig und halten zusammen und wir sind gewaltbereit. Hörst Du?
Was machst Du überhaupt hier, hier in Berlin? Wir haben Dich nicht gerufen. In dieser Stadt ist kein Platz für Dich, Du hast hier keine Freunde. Du bist hier in der Hauptstadt. Geh zurück dahin, wo du hergekommen bist. Schieß in den Wind und geh´ wieder nach Bayern oder nach Hamburg, halte deine Schäfchen bei Laune. Hier ist kein Geberland, Du Narr. Die dort müssen fit sein, wir brauchen deren Geld hier, zackig, ein paar Spinner wollen ein Schloss bauen und bald ist WM, die Baustellen wollen noch verschwinden. Irgendwer muss die Zeche doch bezahlen, und wir werden das nicht sein. Wir sind zu schlau zu stark und zu mächtig für Dich Ernst des Lebens, hau ab.

„Hi, ist hier noch frei“, fragte der Schatten schließlich und machte es sich nach meinem Nicken bequem. Legte seine Zigaretten auf den Tisch, holte sein iBook aus der Tasche und fing an zu tippen. „Dein Laptop ist schon klasse, der ist mit Tastaturbeleuchtung, ne. Aber der war mir als DJ irgendwie zu groß.“, sagte der doch tatsächlich zu mir und fuhr unaufhaltsam fort: „Das iBook ist optimal und das 12´er Powerbook fand ich im Verhältnis zum 12´er iBook zu teuer. Jetzt überlege ich mir aber das neue MacBook Pro zu kaufen, was hältst Du davon?“
Nein, er war ganz offensichtlich nicht der Ernst des Lebens. Und ich liebe diese Stadt, ich liebe Berlin.

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