Sommer vorm Balkon und die Filmtouristen
„Entschuldigung, kennen Sie sich hier aus?“, fragte mich das ältere Pärchen, als ich im Begriff war, auf einen Sprung in das Kakao zu eilen, um mir eine heiße Schokolade mit Orange zu Gemüte zu führen. „Geht so, wie kann ich Ihnen helfen?“, ließen mich meine Nettigkeit und zuvorkommende Höflichkeit antworten.
„Nun, wir waren letztlich in dem Film „Sommer vorm Balkon“ und fragen uns jetzt, welcher Balkon genau das hier ist. Die Apotheke ist ja da drüben, da muss doch der Balkon eigentlich in dem Haus dort gegenüber sein, oder? Also ich weiß es einfach nicht.“ - „Ach, das kann doch überhaupt nicht sein, der Einblick in die Apotheke ging doch durch das andere Fenster“, schaltete seine Frau sich ein.
„Ja, da kann ich Ihnen helfen. Schauen Sie“, eine weiteres Pärchen blieb stehen und verfolgte ebenfalls aufmerksam meine beginnenden Beschreibungen, „bei dem fraglichen Balkon handelt es sich nämlich um jenen dort, der kleine da, ganz rechts oben.“
„Oh, der ist wirklich klein, und da haben die drauf gedreht?“, fragte mich ein Typ, der sich eben gerade erst dazu gesellt haben muss. „Haben Sie von den Dreharbeiten was mitbekommen?“, fragte der Typ weiter. „Naja, hier sind ja ständig Dreharbeiten. Das Problem ist einfach, dass man einfach nicht weiß zu welchem Film die gerade gehören. Auf dem Balkon habe ich aber in der Tat irgendwann nachts, als ich nach Hause kam, mal helle Scheinwerfer gesehen.“
Anerkennende Blicke. Der Mann zückte seine Kamera und schoss ein Foto. „Wissen Sie, wo die Kneipe ist?“, fragte mich die lustig wirkende Frau vom zweiten Pärchen. „Da bin ich mir auch nicht sicher. Eventuell, wenn sie hier die Dunckerstraße Richtung Stargarder hochlaufen, da ist auf der Ecke ein Laden der sich „Thüringer Stuben“ oder so ähnlich nennt. Der käme zumindest in Betracht. Aber, wie gesagt, da bin ich mir nicht sicher, die kann im Prinzip sonstwo sein.“
Situationen dieser Art begleiten mich nun ständig durch den Tag. Draußen sind es Minusgrade, doch immer wieder stößt man auf suchende Blicke, die, beginnend von der Apotheke, die anliegenden Häuser absuchen. Am Wochenende war es besonders auffällig.
Zunächst war ich trotz meiner Bescheidenheit schon ein wenig irritiert. Da führt man ein kleines Berliner Blog, taucht bei einer Lesung auf, und löst so einen Hype aus. Einen Augenblick lang fühlte ich mich ein wenig gestresst. Leser lauerten mir auf. „Der muss hier irgendwo wohnen. Da ist das „Eka“, da geht der doch auch immer hin, und dort der Kakaoladen“, hörte ich sie sagen. Ich musste an die Bilder in den Zeitungen denken, auf denen Michael Jackson bei seinem Besuch hier in Berlin an seinem Hotelfenster im Adlon stand und den ihn belagernden Menschenmassen zuwinkte - oder sie auch mit seinem Baby bewerfen wollte, ich weiß nicht mehr. Der Belagerungszustand stand mir zumindest deutlich vor Augen. Ich könnte nicht mehr vorne zur Haustür raus, sondern wäre gezwungen, mich hinten über den Hof zu schleichen, mit einer Schirmmütze tief ins Gesicht gezogen.
Wie dem auch sei, dass Missverständnis klärte sich jedoch relativ schnell auf, wobei ich übrigens auch ganz alleine darauf gekommen bin, und letztlich spürte ich auch tatsächlich so etwas wie Erleichterung.
Gerade jetzt stehen wieder drei dort unten. Sie zeigen mit den Fingern umher und drehen sich im Kreis. Gestern wurde ich sogar fotografiert, als ich am Fenster stand und telefonierte - oder zumindest das Haus hier, weil es eben auch im Film vorkam. Viele sind einfach unsicher, schauen herauf zu mir und wenn es nicht so schrecklich kalt wäre, dann würde ich das Fenster öffnen und auf den Balkon zeigen, das wäre wirklich kein Problem für mich, aber so.