Mittwoch, 5. Juli 2006

Freizeitstress

„Hi Bunbury, komm rein. Darf ich Dir was zu trinken anbieten?“, fragte mich Yuppy R, als er mich in seiner 140 Quadratmeter Wohnung am Kollwitzplatz empfing. herausforderung

„Ja, gerne, einfach ´n Glas Wasser.“

„Hm, wie wäre es stattdessen mit einem Cocktail? Ich habe die Bar gerade aufgeräumt und umsortiert. Ein paar von den Flaschen müssen jetzt wirklich mal weg. Im Grunde kann ich das Zeug nicht mehr sehen."

„Das ist doch nicht wahr."

„Doch, steht alles da hinten auf dem Tisch. Das ganze Zeug in den Ausguss zu kippen täte mir aber auch leid.“

„Oha, sieht nach Arbeit aus. Das dürfte eine mühsame Aufgabe werden, eine Herausforderung geradezu, was?“

„Tja, im Leben wird einem nun mal nichts geschenkt. Und, hast Du morgen was vor?“

„Nee, Du?“

„Blöde Frage, also?“

...

„Gin Tonic.“

Montag, 3. Juli 2006

Durchzug

Letzte Woche hatte ich die Maler bei mir. Der Eigentümer war leider zu der Auffassung gekommen, dass die Fenster einen neuen Anstrich benötigen. Ich fand das schade, da der original Lack dieses Jahrhundertwende Hauses einen gewissen morbiden und ansprechenden Altbaucharme in mir auslöste. Die ursprüngliche Farbe war zwar nur sehr vereinzelt und recht spärlich an den sonst abgeplatzten Holzrahmen vorzufindenden, aber immerhin.

Pünktlich um 8.00 kamen die Maler in meine Wohnung und inspizierten die ihnen gestellte Aufgabe. „Scheiße, die Dinger sind ja völlig im Arsch. Das wird heut´ nix mehr“, und zu mir gewandt: „Also, das tut uns leid, aber da müssen wa morgen noch´ ma ´nen Termin ausmachen. Wir müssen die Fenster aushängen, schmirgeln und noch ´ma rüber. Ham´ se morgen Zeit, wieder so um achte?“ „Na, klar!“, was blieb mir auch anderes übrig.

„Kann ich mal ihr Klo benutzen?“, fragte einer der Beiden. „Sicher“, dabei überlegte ich, ob es wohl tatsächlich Menschen gibt, die Handwerkern die Benutzung der Sanitäranlagen versagen. „Nee Jungs, sorry, habe ich nicht so gern. Aber fragt doch gegenüber, mein Nachbar ist eigentlich ein ganz netter Typ“.

Der Maler machte sich auf. „Dauert aber ´nen bisschen länger“, erläuterte er halb fragend und schaute mich an, ob ich nicht doch noch Einwände hätte. „Ist schon gut“, erwiderte ich und hoffte, von weiteren Informationen verschont zu bleiben. „Kann ich auf Ihrem Klo rauchen“, ich schaute zur Tür und sah nur den Kopf des Malers, der sich sichtlich über eine bejahende Antwort freuen würde. Mein „Ist mir egal“, lies ihn im Badezimmer verschwinden. „Ey, das ist ja geil, die Wände total verkorkt“, scholl es durch die geschlossene Tür, danach war Ruhe. Nur der ätzende Qualm eines Zigarillos verteilte sich gleichmäßig in der Wohnung. Zigarilloqualm morgens um 8.20 ist natürlich hart. Zigarette geht ja noch aber Zigarillos? „Eine Zigarette ja, einen Zigarillo nein“, wäre hier die richtige Antwort gewesen. Der Qualm blieb dafür aber nicht besonders lange, weil der Kollege damit beschäftigt war sämtliche Fenster auszuhängen und auf dem Flur zu stapeln. Mich interessierte dabei besonders, wie es den Jungs möglich sein würde die ganzen doppelverglasten Fenster, ohne nähere Kennzeichnung, wieder an der richtigen Stelle einzuhängen. Ich hatte das schon mal erlebt und die damaligen Veranstalter hatte Aufkleber angebracht, auf denen Floskeln wie „außen Links“, „innen Links“, „oben außen rechts“ standen. Das ganze hier würde wahrscheinlich auf ein Trial and Error hinauslaufen. Gegen neun waren tatsächlich alle Fenster ausgehängt. Als der Kollege von der Toilette kam, war der auch überrascht und lobte seinen Kumpel.

„Auf´m Klo is´ erstma´ Sperrzone“, sagte der zu mir, „aber sicher nicht lange, ich häng´ noch schnell das Fenster aus, hier is ja ganz gut Durchzug. Da ham´se aber Glück, dass jetzt so schönes Wetter is, wa?! Bei den ganzen offenen Fenstern. Wir machen dann jetzt auch ma´ kurz Frühstück, ne, und sind inner halben Stunde wieder da.

„Sind Sie Freiberufler?“, versuchte der Gesprächige von den Beiden wieder einen kleinen Plausch aufzunehmen, nach dem sie nach einer Stunde Frühstück wieder bei mir erschienen. „Nein“, meine Antwort schien ihm schon zu reichen. „Wenn ich das Haus hier fertig habe, dann hör ich auf, habe die Schnauze voll. Seit einem halben Jahr streiche ich nur Fenster, das ist ein Scheiß. Wenn mal ´ne Wand zwischendurch dabei wäre, aber immer nur Fenster. Der letzte Scheiß“.

„Schönen Verstärker haben Sie da, ich bin ziemlich Technik interessiert“, fuhr der Maler fort. „Schon ein älteres Modell, aber gut. Wie viel Watt hatten der?“ Handwerker im Haus kann manchmal wirklich anstrengend sein. „Keine Ahnung“, sagte ich, weil ich keine Ahnung hatte. „Na, Watt ist auch nicht wichtig. Totaler Quatsch. Wichtig sind die Frequenzen, Sinus und so. Und Boxen sind wichtig, da brauchen Sie bis acht Ohm, alles andere ist Mist. Habe für meine Tochter gerade Boxen gekauft. Bei Ebay. Da gibt´s tolle Sachen. So richtig High End, 12.000 DM, haben die Teile mal gekostet. Hab´ ich 1200,- Euro für gezahlt. Das wummst richtig. Die besten Boxen wurden in den Siebzigern gebaut. Für ihren Verstärker bekommen Sie aber nicht mehr viel. „Haste doch in `ner Mietwohnung überhaupt nix von“, schaltete sich zum ersten mal der andere Kollege in das Gespräch ein, „kannste doch überhaupt nicht nutzen, da haste doch gleich die Nachbarn an´ner Backe.“ Der Kollege überging den Einwand und richtete sein Interesse wieder auf meinen Verstärker. „Wollen ´se den nicht verkaufen?“ - „Aber dann habe ich ja keinen mehr.“ „Dann kaufen Sie sich bei Ebay einen neuen, da gibt es wirklich gute Teile.“ „Ich finde meinen Verstärker ganz gut und werde ihn behalten“, stellte ich fest.

„Haben Sie andere Elektrosachen, die `se vakoofn wolln?“
„Nein! Da habe ich auch jetzt überhaupt keine Zeit für, ich ziehe nächste Woche um und muss den ganzen Kram in den nächsten Tagen in eine andere Wohnung bringen. Erstmal die ganzen Elektrosachen, da werde ich doch vor dem Umzug keine neuen kaufen.

„Gefällt Ihnen nicht mehr hier am Prenzlauer Berg?“
„Doch, ich bleibe auch hier, nur ein paar Straßen weiter.“
„Wohin?“
„Ach, hier die Straße runter“.
„Ach so.“

Der Gesprächige widmete sich den Fensterrahmen als er zum nächsten Themenbereich überging. „Sind geile Weiber hier, wa? Also Frauen, sach ich jetzt ma´.“
„Ja, hier sind schon sehr viele auffallend hübsch“, pflichtete ich bei.
„Hier ist eben eine vorbei gelaufen, Wahnsinn. Von hier oben habe ich aber auch einen geilen Blick, so von hier oben runter. Da kann man ganz schön was sehen. Das ist schon ´ne andere Ecke hier. Die ziehen sich schon anders an. Da habe ich einen ganz anderen Stil, so von den Klamotten her. Ich glaube, dass würde nicht passen, aber geil sind die ja schon. Wie macht man das?“
„Was?“
„Na, mit den Frauen hier? Einfach anquatschen?
„Wäre sicher ´ne Möglichkeit. Ich wünschte es gäbe ein Patentrezept.
„Patentrezept?“
„Patentrezept!“

Dienstag, 13. Juni 2006

Duck and Cover!

duck-and-coverHeißt der ganz unglaubliche Zivilverteidigungsfilm von 1951, der der amerikanischen Bevölkerung hilfreiche Maßnahmen im Falle einer Atombombenexplosion anschaulich erläutert.





"Sundays, Holidays, Vacation Time - anytime - we must always be ready for the atom bomb. We must do the right thing when the atom bomb goes off....DUCK and COVER!"






Unbedingt anschauen!

Dienstag, 6. Juni 2006

Wellnessparks

Wenn man seine Stadt und sein vertrautes Umfeld verlässt, um einer Einladung von Bekannten zu folgen, die früher vielleicht einmal Freunde hätten werden können, dann ist es doch immer wieder erstaunlich zu bemerken, wie entrückt und abwegig sich manche ehemaligen Wegbegleiter entwickelt haben.

Zur gleichen Zeit, zu der Berliner Berufsjugendliche den Abend starten, indem sie die ersten Bars besetzen oder immer noch auf dem Rasen des Helmholtzplatzes lümmeln, saß ich im Anzug mit Krawatte - denn um Abendgarderobe war gebeten - an einer wirklich sehr schön gedeckten Tafel. Es war ein seltsames Gefühl, irrational, fremd und absurd. Die Gedanken schweiften in die Vergangenheit, und ich sah mich wiederum zehnjährig hier sitzen, zwischen all den Stimmen, den vielen Gläsern. Mit Augen, die Leute in Anzügen wahrnahmen, die sich allzu ernsthaft unterhielten, über Steuern, Benzinpreise, Subventionsabbau, Einbauküchen, private Altersvorsorge, Heiraten. Diese Zeit, als wir begannen, an der Tafel bei den Erwachsenen zu sitzen und nicht mehr am Kindertisch Platz nehmen mussten oder besser durften:

„Die Pendlerpauschale...“, setzte der mir schräg Gegenübersitzende an. Sein ganzes Ich - Erklär - Die - Politik - Gewäsch hatte ich schon letzten Montag im Spiegel gelesen. Die wandelnde Inhaltsangabe des Politikteils wandte sich im Anschluss der Reichensteuer zu. Der Weißwein schmeckte vorzüglich und war genau richtig temperiert. „Nur ein Tropfen auf den heißen Stein...“, klar, der durfte jetzt natürlich nicht fehlen und passte so oder so. - „Wenn ich ab dem nächsten Jahr 250.000 Euro verdiente, dann wäre ich sogar bereit 6 Prozent mehr Steuern zu zahlen. Ehrlich, da hätte ich kein Problem mit“, warf ich dazwischen. Allgemeines Unverständnis; meine Gesprächsbereitschaft war erstmal gedeckt. Immerhin ein wirklich guter Weißwein, bei wärmeren Temperaturen gibt es gegen einen sorgfältig gekühlten Weißwein praktisch nichts einzuwenden. Und da wird in manchen Kreisen behauptet Berlin würde zu übermäßigem Alkoholkonsum verführen, dabei sind diese Art der Zusammenkünfte um ein vielfaches gefährlicher, hier, wo die Welt doch in Ordnung ist.

„Ihr da, in Berlin...“, ich war gemeint, mit einem Augenzwinkern wurde ich als „der Berliner“ betitelt. „Ich könnte nicht in Berlin wohnen, die Stadt ist mir einfach zu groß“, sagte die Frau eines Gastes. „Dann ist es ja gut für dich, dass du nicht in Berlin wohnst“, sagte ich und nippte weiter an meinem Weinglas, ließ den Blick durch die Wohnung schweifen und beschäftigte sich mit der Frage, in wie vielen deutschen Wohnzimmern wohl die blauen Pferde von Franz Marc hängen mögen. „Wenn ich an Berlin denke, muss ich an die Subventionierung der Theater... völlig vorbei am Publikum...“, der Kerl war einfach nicht zu stoppen und redete hier an einem Abend wahrscheinlich mehr über Geld als Josef Ackermann bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank. „Was Du alles weißt!“, sollte die Verlobte später leise im Flur zu dem Politikreferenten sagen, an der Garderobe, beim Gehen, nicht ohne Stolz.

Ich stellte mir vor, wie die anbetungswürdige Kathrin Angerer samt der weiteren Castorfschen Volksbühnenentourage, dem Schwätzer - völlig am Publikum vorbei - die Leviten lesen würde. Laut, aggressiv und schmutzig.

„Meine Frau und ich würden sich der einsetzenden Aufbruchstimmung gerne anschließen“, sagte ein Gast, als sich erster Besucher zum Aufbruch aufmachte. „Es ist schon spät und wir wollen den Sonntag morgen noch genießen. Aber wenn es am schönsten ist...“ Ich staunte und beschloss, diesen Satz in meinem Blog zu verewigen. Zum Glück war der Arsch ein Mann der Tat und ließ der vortrefflichen Formulierung Entsprechendes sehr zeitnah folgen. Schön, das es noch Menschen gibt, die zu ihren Ankündigungen stehen. „Was machst Du eigentlich“, wurde ich schließlich gefragt und ich entschloss mich, das bis dato geheime Projekt auf den Tisch zu knallen. Ich begann zu erzählen, ich erzählte von der großartigen Vision einer unglaublich coolen und durchgestylten Einlaufanstalt.

Zunächst in Charlottenburg, jetzt, da das Goya vielleicht zu mieten sei. Düsseldorf und München sollten folgen. Schließlich mit Filialen in der ganzen Welt, ähnlich wie Starbucks oder Gucci. Im Grunde soll eine Art Wellnespark entstehen. Völlige Entschlackung und das befreiende, jungbrunnenhafte Gefühl. Die Wiedergeburt eines jeden Ichs. Verschiedene Essenzen, die individuell durch Typberatung, Sternenkonstellationen und Auspendelei abgestimmt werden, würden dies ermöglichen. Die Finanzierung sei noch nicht abschließend geklärt, aber man stünde in Verhandlung mit einer Berliner Bank. Und es wird T-Shirts, Poster und kleine Sets zum Selbermachen für zu Hause geben und noch viele andere schönen Dinge.

Doch hier auf dem Land waren die Menschen anscheinend noch nicht bereit für meine Visionen und schüttelten nur ihre hohlen Köpfe. So eilte ich zurück in die Hauptstadt, in der einfach größeres Verständnis und Offenheit für kreative Ideen herrscht.

Dienstag, 23. Mai 2006

Eine kleine Katastrophe

zwang und zwingt mich hier zu einer kleinen Ruhepause. Anfang Juni habe ich dann wieder mehr Zeit.

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*lach* warten bis ich komme...dass der Stuhl fester...
Kaweechelchen - 8. Sep, 20:48
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ist das ein strick, da um den hals? ;-)
engl - 29. Aug, 20:27
Selbstbetrachtung
Bunbury - 29. Aug, 10:13
wie schrecklich.
wie schrecklich.
engl - 27. Aug, 16:28
Die Summe von all dem...
Die Summe von all dem ergibt das "Warten auf den Tod".
Chinaski - 26. Aug, 19:49

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Zuletzt aktualisiert: 15. Apr, 15:46

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