Letztlich war auf dem Weg zum Wittenbergplatz ein riesiger Berg aus gestapelten Bierkästen vorzufinden. Es handelte sich dabei um Bierkästen der Firma Krombacher, die mit der neuen Sorte „Extra Mild“ bestückt waren.
Zufällig erinnert es ja doch irgendwie an Beck´s Gold, zumindest musste ich sofort an Beck´s Gold denken. Irritierend war für mich jedoch der Name: „Extra Mild“? Wie soll das gehen? In einem Club in Berlin, über den Tresen gelehnt, die Worte: „Ein Krombacher Extra Mild“ brüllen?
Extra Mild??? Unglaublich. Was soll man dazu sagen? Bei dem Namen ist doch am ehesten mit einem Kaffee zu rechnen. Melitta „Extra Mild“ klingt widerspruchsfrei.
Ich kann es immer noch nicht fassen. Aber wie es aussieht ist Krombacher wohl die schwierige Aufgabe gelungen, mit einem neuen Produkt keine neuen Käuferschichten anzusprechen, sondern sich genau auf den langweiligen Kundenkreis zu begrenzen, der ohnehin schon Krombacher trinkt: Extra Mild!
Ich starrte auf die vielen Kästen sinnloser Namensfindung. „Kostenlos,“ wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Vor mir stand der Bierverteiler. „Is´ kostenlos.“, sagte der nachdrücklich und hielt mir eine Flasche Krombacher Extra Mild unter die Nase. „Na, für lau nehm´ ich´s mit.“ sagte ich ihm, die Flasche einsackend.
Um mich herum kam die ganze Chose ins Rollen. Na ja, kostenlos zieht ja auch immer. Überall Leute mit Bierflaschen in der Hand. Die Touristen dürften bei diesem Bild zufrieden sein. Einige auch gleich gut dabei, um das neu versprochene Geschmackserlebnis ausgiebig zu erkunden. Verwertbare Reaktionen blieben allerdings aus.
In der U – Bahn erschien der obligatorische Obdachlosenzeitungsverkäufer. „Willst´e ein Bier?“, fragte ich ihn. „Mann, Scheiße, aber sicher,“ die prompte Antwort. Mit den Worten, „Ist jetzt aber extra Mild.“ übergab ich ihm die Flasche; mit „Is´ mir doch aber scheißegal,“ nahm er sie in Empfang.
Sollte ich irgendwann einmal völlig ausrasten, mich auf dem Boden wälzen, schimpfen und schreien, gar in Verbreitung sinnloser Gewalt verfallen, so ist die Wahrscheinlichkeit dies in nächster Nähe zu einem Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn geschehen zu lassen unerfreulich hoch. Der Leser mag nun denken: „Ach ja, diese Automaten, auch ich habe meine Schwierigkeiten mit der Bedienung.“, vielleicht denken Sie auch: „Nun, ich muss mich doch sehr wundern, sollte Herr Bunbury nicht in der Lage sein....“ Stein des Anstoßes wird allerdings mitnichten der Automat selbst sein, nein, diese vorzüglichen Automaten, die über ganz Deutschland verteilt sind und ihre Zwecke sachdienlich erfüllen bereiten mir keine nervliche Belastung. Auslöser und Schuld allein werden irgendwelche anderen Nutzer sein, hinter denen ich mich wartend in den Wahnsinn steigere. Zu meinem Leidwesen hat deren Anzahl, so scheint es mir, auch leider beträchtlich zugenommen.
Mit dem Einsatz der Fahrkartenautomaten trat ja zunächst eine Zeit der Befreiung ein. Mit Grausen denkt man zurück an die langen Warteschlangen, die einen früher zum ersehnten Ticket führten. An die Hände der Angestellten, die behutsam und behäbig die Daten in den Computer eingaben. Das Schild auf dem Tresen „Schalter nicht besetzt,“ das in Anbetracht der wartenden Massen geradezu zynisch wirkte und sicherlich nur aus Schikane aufgestellt wurde.
Auch noch heute können diese Schlangen bei einem Blick an die Verkaufsschalter aufgrund ihrer Länge beängstigend sein. Die Automaten hingegen waren in ihrer Anfangszeit immer leer. Niemand traute sich wirklich daran und sollte es tatsächlich mal jemanden geben, dann war er aber auch in der Lage seinem Ticketwunsch schnell und präzise einzugeben. Man wartete nicht vergebens und es war in Ordnung. Doch dies ist aufgrund der bitteren Erfahrungen der letzten Zeit wohl vorbei.
Immer wieder schlägt nun der überforderte Anwender zu und immer steht er ausgerechnet vor mir. In grausamen Fällen auch derer fünf hintereinander und man kann sie zu jeder Uhrzeit des Tages antreffen. Natürlich erahnt auch niemand dieser Hindernisse, dass mein Zug in 8 Minuten den Bahnhof verlassen wird. In diesen Augenblicken bin ich mir dann auch immer sicher, er wird es ohne mich tun.
Zunächst gibt es den Benutzer, der es zum ersten Mal versucht. Er tippt mal da, mal dort. Liest die verschiedenen Aufforderungen mehrfach und lässt die so erlangten Informationen langsam sacken. Das kann passieren und man trägt sich mit der leisen Hoffnung, er werde bei der nächsten Gelegenheit behände das ersehnte Ticket erlangen. Der ein oder andere kramt dazu noch seine Brille hervor, eine dieser Lesebrillen, die es überall zu erwerben gibt und immer halb auf der Nase zu sitzen pflegt. Diesen Hilfsbedürftigen springe ich in der Regel schnell zur Seite, sollte die verlaufende Zeit mir wirklich Anlass dazu aufnötigen. Meine Stimmung verdüstert sich allerdings mit zunehmendem Zeitablauf und erfährt einen Höhepunkt, wenn die Person irgendwann die eigene Unfähigkeit einsieht und unverrichteter Dinge, kopfschüttelnd, den Ort des Scheiterns verlässt, um den Persönlichen Kontakt zu einem Schalterbeamten zu suchen. In solchen Fällen fühle ich mich dazu hingezogen hinterher zu eilen und dem Schussel einen ordentlichen Tritt in den Arsch (Entschuldigung) zu versetzen, ohne Verzögerung, den Anlauf nutzend, brüllend: „MANNOMETER, WENN ICH SIE NOCH EINMAL VOR EINEM AUTOMATEN SEHE.“ Doch für solch heroische Taten fehlt mir ja gerade in diesen Augenblicken die Zeit.
Andere scheinen über das Fahrtziel noch zu sinnen. Wissen anscheinend noch gar nicht, wo sie denn überhaupt genau hin möchten und womit: ICE, IC oder RB? „Hm, kann ich auch über X nach Y fahren,“ scheinen sie zu denken und überprüfen es gleich. Lassen Verbindungen suchen und springen wieder zurück. Fahren mit dem Finger über das Schriftbild. Bewegen gar beim lesen die Lippen. Gucken in ihre Taschen, klapp auf, klapp zu und suchen nach einem Zettel, der dann, sollte er in dem dunklen Universum schließlich gefunden werden, umständlich auseinander gefaltet wird. Donnerstag - Kevin holt mich auf dem Bahnsteig ab, steht dann da. Das Handy aufgeklappt: „Du, ich stehe jetzt vor´m Fahrkartenautomaten, nix, hier am Alex. Wann soll ich denn jetzt kommen? Ich weiß gar nicht was ich hier drücken soll. ICE is viel teurer als IC. Bin ja nicht bescheuert. Da fahre ich doch nicht mit dem ICE. Oha, wenn ich mit dem ICE fahre spare ich knapp 70 Minuten Fahrzeit. Was? Na klar, können wir uns früher sehen und haben mehr davon, logo. Fahre ja auch nicht oft Zug. Ach egal, soll es mir dann auch Wert sein, wenn wir schon was machen. Also, ich komme mit dem ICE und bin gegen 10.00 bei Dir. Freu mich, Tschüssi. Rufe Dich aber aus´m Zug noch an. Küsschen. Also Handy haste ja immer dabei, ne. Mach´s gut. Tschüss.“
Die ganze Prozedur dauert eine Ewigkeit. Der Gipfel meiner Aufregung wird aber durch den Fahrplanausdrucker hervorgerufen. Dieser benimmt sich oft nicht minder umständlich, und kauft letztendlich auch keine Karten, sondern druckt nur die möglichen Verbindungen aus. In einigen Fällen auch nur eine, vielleicht die Rückfahrt? Kann man sich den Mist nicht einfach merken. Warum nutzt eigentlich keiner mehr die Fahrpläne. Die gelben, die überall in den Bahnhöfen aushängen und auf denen Abfahrt steht. Das ist doch nun wirklich einfach und nicht zuviel verlangt und jedem zumutbar.
„KAUFEN SIE JETZT DIE SCHEISS FAHRKARTE ODER NICHT?“, entfuhr es mir tatsächlich einmal wutentbrannt. „Tut mir leid, aber mein Zug fährt gleich ab und ich habe es sehr eilig“, versuchte ich meinen unschönen Ausrutscher zu entschuldigen und die aufkommenden Wogen zumindest ein wenig zu glätten. Ich wurde vorgelassen.
Natürlich habe ich mich schon oft gefragt: „Bunbury, warum machst Du das hier eigentlich, warum stehst Du am Fahrkartenautomaten?“ Nun, ich weiß es auch nicht. Sicher, ich könnte mich einfach gemütlich in den ICE setzen und mit meiner Kreditkarte den Fahrschein direkt beim Schaffner erwerben. Der geringe Aufpreis sollte der ersparte Stress allemal wert sein. Es wäre doch wirklich toll, wenn eine Stresserleichterung immer für 2,50 € zu haben wäre. Ich könnte die Fahrkarte alternativ auch im Internet kaufen und einfach ausdrucken, ja, das wäre auch überhaupt kein Problem. Oder darauf zu hoffen bei Lidl Fahrkarten für die Bahn ergattern zu können.
Aber nein, diese Möglichkeiten kommen für mich aus irgendeinem Grund nicht in Betracht und das finde ich bedenklich. Brauche ich das, ich rege mich ja sonst selten auf. Habe ich im Unterbewusstsein eine Freude daran? Bin ich in der Schlange der Automatennutzer eventuell der größte Depp?
Endlich ist es wieder wärmer geworden. Die Straßenkaffees waren ja schon seit längerem gefüllt, doch nun wundert man sich nicht mehr darüber, sondern freut sich nur noch daran. Die Bäume blühen und schmücken die Straßen. Es ist in der Sonne angenehm warm und noch nicht unerträglich heiß. Der Asphalt kühl, nicht wie zur julihaften Hitzephase erglüht, so dass vereinzelnd darauf ruhende Hundehaufen ihr maximales Störpotential bisher keineswegs annähernd erreicht haben.
Es ist so warm geworden, dass wir uns entschieden haben, unsere immer wiederkehrenden entspannenden Zusammenkünfte im Mauerpark für dieses Jahr ab sofort wieder aufzunehmen.
Eine isolierende Picknickdecke, ein paar Bier und ab geht´s, auch das vertraute Bild der letzten Jahre wieder vorzufinden, hoffentlich. Viele Leute, ein wenig Musik, die Boulespieler, vor der Schmeling Halle die Hockeyspieler. Es wird gegrillt, gelacht und Sport gemacht. Die Decke ausgebreitet, das Bier geöffnet und vielleicht noch ein wenig in der Zeitung gelesen, später. Natürlich ist es wie immer und das ist in diesem Fall auch gut so. Wir sind zu siebt, und es werden Neuigkeiten ausgetauscht und Zigaretten. Das erste kalte Bier im Park ist jedes Jahr wieder ein besonderer Augenblick.
Bei einer Fahrt mit dem ICE erklärte mir ein Student, er schriebe eine Seminararbeit über den Mauerpark in Berlin. Zuvor sprach er mich am Fahrkartenautomaten an, ob ich denn zufällig nach Berlin führe, im Besitz einer Bahncard sei und auch bereit wäre ihn an der Kostenermäßigung meiner Bahncard teilhaben zu lassen. Ich versuchte ihn kurz einzuschätzen, denn ich würde ihn im Falle einer Bejahung nun bis Berlin nicht mehr loswerden, da er sich ja gezwungener Maßen in der Nähe meiner Bahncard aufhalten würde. Er wirkte aber sehr nett und wohl auch in der Lage mit meiner Einstellung: „Ich nehme Dich mit, aber bitte - lass mich in ruhe, falls ich mich nicht die ganze Bahnfahrt über unterhalten möchte“, klar zu kommen. Aufgezwungene Unterhaltungen, die zu nichts führen sind schrecklich langweilig. Schließlich könnte ihn das Gefühl der Verpflichtung überkommen, mich ansonsten Alleinreisenden bis nach Berlin unterhalten zu müssen, denn warum hätte ich ihn auch sonst mitnehmen sollen.
Zum Glück gestaltete sich die Fahrt völlig unkompliziert.
Dieser Student der Architektur also, war dabei eine Seminararbeit über den Mauerpark zu schreiben. Über die Gestaltung im Allgemeinen und spezifische Merkmale des Parks im Besonderen. Der Professor schlug auch verschiedene Parks vor, darunter z.B. den sehr schönen Barockgarten der Herrenhäusergärten in Hannover, den Central Park in New York und ähnliche Kaliber. Die Intention des Studenten war natürlich klar. Es sollte keine lange Arbeit werden, und schon gar nicht sollte der Park spezielle Merkmale im Besonderen aufweisen, was natürlich auch zu dem Punkt, keine lange Arbeit verfassen zu müssen, führt. Daran musste ich denken und warf diese kurze Erinnerung in die Luft. Übereinstimmend kamen wir zu dem Schluss, diese Arbeit gerne zu lesen. - Ebenso die Dissertation zu der spannenden Frage: “ Konnte Goethe schwimmen?“ Wir wussten es nicht und hätten es gerne erfahren, zumal dies einem weiteren Menschen zur Doktorwürde verholfen haben könnte.
Wenig später kam ein sehr hübsches Mädchen in Begleitung ihres, so befürchtete ich zunächst, Freundes, obwohl sie irgendwie nicht wirklich zusammenpassten, in Richtung unseres Liegeplatzes. Eine unserer Begleiterinnen, die C., erkannte den Mann als Bekannten ihres Freundes und winkte ihm zu. C. war mit ihrem Freund und dem nun auf uns zu schlendernden Mann und dessen Freundin mal zusammen essen. Die Freundin vom damaligen Abend sei diese Frau übrigens nicht, zischelte uns unsere charmante Freundin noch zu. Die Beiden gesellten sich auch sofort zu uns und nahmen das von uns höflicherweise angebotene Bier dankend an. Sie wohnte in Kreuzberg. Ihr Begleiter, ein Mathematikstudent aus Hamburg, ganz in der Nähe des Mauerparks. Nach allgemeinem Geplänkel zielte unsere reizende Freundin C. nun auf ihr eigentliches Interesse ab. Sie tat das nicht gerade unauffällig, es wäre sicherlich auch anders möglich gewesen, aber was soll´s auch - und wenn es sie denn nun so interessiert. Wo seine Freundin sei und wie es ihr ginge erkundigte sie sich und strahlte die Begleiterin an, als erhoffe sie sich die Antwort von ihr. „Sie ist in Hamburg und wollte dieses Wochenende nicht kommen“, antwortete er etwas betroffen. Er könne auch nicht fahren, da er, übrigens zusammen mit seiner hübschen Begleitung, wobei er dieser leicht auf die Schulter klopfte, eine Art Workshop in Kreuzberg besuche.
„Und na ja, wegen des Workshops haben wir auch gerade auch ein wenig Ärger.“, sagte er und nahm ein Schluck von seinem Bier. „Ach, was denn für Ärger und was überhaupt für einen Workshop?“, erkundigte sich unsere aufgeschlossene Freundin C.. „Ich habe dir doch mal, als wir zusammen mit S. (der Freund unserer Begleitung), ausgegangen sind, erzählt, dass ich mich immer so gehemmt und schüchtern fühle. Irgendwie so eingesperrt. Und du meintest, na ja, ausschließlich Mathematik und dann seit 8 Jahren die gleiche Freundin, seit dem Abitur. Und da habe ich dann darüber nachgedacht“. Die C. schien ins Schwarze getroffen zu haben, zündete sich eine Zigarette an und räkelte sich genüsslich auf der weichen Decke. „Ich wollte es so nicht weiterlaufen lassen, versteh das jetzt aber nicht falsch. Wir sind immer noch zusammen und ich liebe sie. Ich bin mir immer noch genauso sicher, dass ich sie heiraten werde. Aber ich musste was für meine innere Ausgeglichenheit tun. Und so habe ich von diesem Workshop erfahren. Ich hab das alles mit N. (die Freundin) geklärt. Sie war und ist sehr skeptisch, aber wenn es mir denn so hilft und das tut es.“. Eine Frisbeescheibe, verfolgt von irgendeinem großen Hund, durchkreuzte unser Deckenlager und unser bzw. das Gespräch unserer Freundin, die sich die nächste Zigarette ansteckte und immer noch auf eine Sensation hoffte. „Also, was ist das denn nun für ein Workshop“?, fuhr die C. fort.
„Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch, aber insgesamt ist das wirklich seriös. Es handelt sich dabei um eine Befreiung des Geistes, das ganze findet zweimal im Monat bei so´nem Guru in Kreuzberg statt. Der hat da eine Eigentumswohnung und da ist das dann. Das ist nun wirklich mal was anderes und alle waren gespannt wie es nun weitergeht. Für einen schüchternen Typen redet der aber locker von der Leber weg, dachte ich noch für mich. „Ach, das ist so mentales Training?“ Fragte unsere Begleitung mit leichter Enttäuschung. „Nicht ganz, wir sitzen nackt im Kreis, einer geht in die Mitte und wer dann von dem in der Mitte sitzenden aufgefordert wird, der folgt dann auch in den Kreis und Beide schlafen miteinander.“
Ich reichte ihm noch ein Bier. Die anderen hatten sich noch ganz gut im Zaum, oder es wurde auch einfach nur als Scherz aufgefasst. „Äh, was?“, schluckte unsere Begleitung. „Das ist jetzt wirklich kein Scherz,“ fuhr er weiter fort und lachte tatsächlich dabei, „ich fühle mich auch wirklich super. Beim ersten Mal ware es natürlich auch ein wenig komisch, das gebe ich zu, aber ihr müsst hier jetzt nicht so erstaunt schauen,“ sagte er mit einem gewinnenden Lächeln und gar nicht beleidigt. „Ich war jetzt zum zweiten Mal da und fühle mich super. Da habe ich übrigens auch G. kennen gelernt,“ er deutete auf seine Begleitung. „Sie saß bei der ersten Sitzung in der Mitte des Kreises ich habe sie angelächelt, sie mich und dann bin ich in die Mitte und wir haben dann, äh, ja nun ja, gepoppt halt.“
„Er sah so friedlich und nett aus, ich hatte sofort ein gutes Gefühl,“ warf seine hübsche Begleitung hinterher. Ich konnte es nicht fassen. „Und, entschuldige mal, und hat das gleich geklappt, ich meine wie viele seit ihr in der Gruppe, ich meine, äh, ich hätte vielleicht Probleme, die ganzen Leute, schauen die dann zu?“ Der M., bisher stumm, stellte diese berechtigte Frage und legt seine nächstliegenden Gedanken frei. „Ja, klar, aber das ist dann ja auch die große Hilfe. Sich zu überwinden, diesen Schritt zu tun und dann dieses tolle Gefühl.“ Mit der Frau zu schlafen kostet bestimmt keine Überwindung, aber der Gedanke, um mich rum.., dachte ich. „Also, wie ist denn die Gruppe zusammengesetzt? Halbe, Halbe oder, ach, na Du weißt schon,“ fragte ich. „Wir sind sechzehn, 9 Männer uns sieben Frauen. Eigentlich 10 Männer, der Guru ist ja auch dabei, aber der bleibt immer nur außerhalb des Kreises.“
Weitere Fragen strömten mir durch den Kopf, was kostet das, wie sehen die anderen Teilnehmer aus? Ich konnte es wirklich nicht fassen. Wie viel Kurse gibt es davon? Was verdient der Guru im Monat damit? Wechseln die immer die Unterlagen auf denen sie liegen? Was ist, wenn man dort auf seine Eltern trifft? Eigentlich würde ich auch gerne mit der G schlafen! Nehmen die Kondome oder legt jeder einen Test vor? Der ist also schüchtern? Ist das aus Verzweiflung möglich? Bezahlt der Guru hübsche Frauen, damit sie weitere Teilnehmer anlocken. Ist die Sache mit dem Guru auf der gleichen Stufe wie ein Freudenhaus? Es klingt schon irgendwie anders: „Ey, ich war gestern für mein inneres Gleichgewicht im Puff und fühle mich super, leider habe ich jetzt ein bisschen Stress mit meiner Freundin.“ Ist das eigentlich das gleiche oder ein Unterschied? Würde die Sache mit dem Guru meine private Krankenversicherung abdecken? Ach, ach, ich nahm mir eine Zigarette und lächelte die G an, irgendwie war die bestimmt bekloppt. Aber warum eigentlich, bin ich vielleicht derart spießig? Ist das alles mein Problem? Habe ich damit eigentlich überhaupt ein Problem oder ist es nur der Neid, weil ich mir das niemals zutrauen würde? Möchte ich das überhaupt? Nein, definitiv nicht. Nein, ich möchte nicht in der Mitte eines Kreises mit einer Frau schlafen während um mich herum Leute sitzen und mich anstarren, ganz egal wie hübsch sie sein mögen. Sitzen da, die Männer mit Erektionen und starren mir auf meinen Arsch? Ich käme mir beobachtet vor! But if you can make it here, you can make it everywhere.
Ich würde denken, sie würden mir Noten geben. „Na, das ging ja wieder flott.“ – „Letzte Woche ist die G bei mir 2x gekommen!“ Oder: „Na, die Technik ist anscheinend doch nicht nur entscheidend.“ Ich musste an die Nachbarn denken, was sollten sie bei hellhörigen Wänden und dem aufkommen an die Wohnung betretener Menschen denken. Eine Klingel die „GangBang“ schrillt, wenn sie gedrückt wird, wäre cool. - Nach meinem gedankenverlorenem Sinnen wand ich mich wieder dem Gespräch zu. Es ging um die Freundin in Hamburg, der die ganze Sache nicht wirklich recht war. Unsere Bekannte bezeugte Verständnis für die Auffassung der in Hamburg Harrenden. Ich musste zugeben, mir wäre es nicht egal, wenn meine Freundin, wenn ich denn eine hätte, zu diesen, ja was, ach ja, Therapien gehen würde. Er zeigte sich einsichtig und hatte auch vor, sie mal mitzunehmen, sie sei jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen völlig halsstarrig in ihrer abweisenden Haltung vertieft und absolut gar nicht interessiert. „Ihr werdet schon eine Lösung finden,“ beendete die C. ihr Interesse am weiteren Gespräch.
Wenn die Sonne verschwindet, wird es leider doch zu kalt, um weiter auf dem Rasen sitzend den Tag verbringen zu können. Wir brachen auf und ein paar Kinder sammelten unsere Pfandflaschen ein. „Wir könnten noch indisch essen gehen,“ so der Vorschlag, der einstimmig angenommen wurde.