Labelfucker
Bei aber auch jedem Anruf meines Studienkollegen C., da fällt der Name Paul Smith. Ich kann´s nicht mehr hören, wirklich nicht. Dazu bestellt er die Sachen neuerdings auch noch im Internet, direkt bei Paul in London, obwohl er in einer Stadt wohnt, die nun ein reichhaltiges Modeangebot auf engem Raum bietet. Würde er in Berlin wohnen, wären die Bestellungen im Internet schon nachvollziehbarer. Denn hier kann es durchaus vorkommen, dass man durch die halbe Stadt fahren muss, um eines bestimmten Kleidungsstücks habhaft zu werden. Zum Kaufpreis addiert sich meist leider noch der Preis, den man zahlt, weil man von Verkäufern, die höchstselbst gestreifte Hemden mit gestreiften Krawatten kombinieren, völlig abwegige Modetipps über sich ergehen lassen muss.
Bei unserem letzten Telefonat hatte sich der C. gerade sein sechsunddreißigstes Hemd von Paul Smith gekauft. Von den Anzügen, Manschettenknöpfen, Krawatten, Pullovern, Mützen und Handschuhen mal ganz abgesehen. Ich habe das am Telefon auch glatt mal versucht zu überschlagen: „36 Hemden zu einem durchschnittlichen Preis von 150 €....“ - „Ist doch egal“, unterbrach mich der C. unwirsch, „andere sammeln halt Briefmarken.“ Auch wieder wahr, aber darum geht es eigentlich nicht. Jeder, der die Hemden von Paul Smith sieht, wird hoffentlich ebenfalls in Unverständnis versinken.
Sie sind einfach grauenhaft, also die Hemden. Definitiv entsetzlich und sehen nach gar nichts aus. Einige sind sicher schön bunt, aber sollte tatsächlich jemand an bunten Hemden interessiert sein, so möge er sich direkt zu ETRO bewegen und dort die Könige der bunten Hemden kaufen.
Als mich der C. letztlich in Berlin zum zweiten Mal besuchte, da wollte er auch direkt die Paul Smith Situation hier in der Hauptstadt ausloten. Da ich es unmöglich über mich bringe, an einem Sonnabend zum Kudamm zu fahren, und der C. diese überaus sinnvolle Marktanalyse auch nicht alleine vornehmen wollte, verblieben wir im weitaus angenehmeren Teil Berlins, im Ostteil. Hier fielen mir nur die Galeries Lafayette als potentieller Anbieter ein. Eigentlich gibt es dort doch alles, was Rang und Namen hat. Paul Smith führten sie dann zur großen Überraschung doch nicht - auf die Franzosen ist Verlass.
Abgesehen von dem völlig abwegigen Angebot von Polo Ralph Lauren, der offensichtlich einen farbenblinden Alkoholiker zum Chefdesigner gemacht hat, ist es dort auch an einem Sonnabend ganz erträglich. Natürlich befindet sich der einzig wahre und wirklich akzeptable Grund, warum man sich überhaupt dort aufhalten sollte, im Keller der Galeries Lafayette, nämlich die alles überragende Lebensmittelabteilung, die Entschädigung für alles bietet.
Auch für den vorherigen Besuch der Lounge im Opelhaus an der Friedrichsstraße, die sich Adam´s schimpft. Ein ungeheuerlicher Ort, den ich, da war ich mir zuvor souverän sicher, nie betreten würde. Das Adam´s ist völlig unterkühlt, viel zu groß und von einer angenehmen Atmosphäre meilenweit entfernt. Dem C. war es egal, er hatte ein dringendes Bedürfnis und nach dem Gelatsche auch erstmal eine kurze Pause verlangt. So saß ich also bei Opel an der Bar und konnte es nicht fassen. Der C. bestellte erstmal Weißwein.
An der Bar stand ein kleiner tragbarer CD - Player, dieser beschallte die Lounge, weil die große Anlage nach Auskunft der Bedienung kaputt sei. Die Orangenpressmaschine machte ebenfalls ganz unglaubliche Geräusche und lag mehr als deutlich in den letzten Zügen. „Die wollen hier Autos verkaufen und nicht mal die Saftpresse funktioniert“, sagte der C. kopfschüttelnd, die Bedienung zeigte keine Reaktion. Der Laden war voll, jeder Tisch besetzt, die Leute aßen und tranken. Dass sich hier derart viel Publikum aufhält, hätte ich nicht gedacht. Gegenüber, Starbucks, na gut, aber die Opel Lounge? Ich konnte es mir nur mit erschöpften Touristen erklären, wo sollten die auch sonst hin, und seien wir ehrlich: Im Umkreis der Friedrichstraße ist für Berlinunwissende nicht viel Platz zum Verweilen.
Oder waren das alles Opeltouristen, Fans? Im Hintergrund drehte sich ein Auto auf einer Drehscheibe und ein unbeschäftigter Verkäufer seine Runden, während der C. die unsrigen bestellte. „Falls es draußen regnet, wird man zumindest nicht nass, wenn man den Scheißkarren die Außenspiegel abtreten will“, stellte der C. fest, nippte an seinem Wein und bestellte, weil es so schön war, noch einen frisch gepressten O-Saft dazu. Die Bedienung war clever und stellte sich bezüglich der Bemerkungen, nicht aber der Bestellungen, weiterhin taub.
In der Oranienburger Straße fanden wir schließlich einen Laden, der Paul Smith führt. Die Auswahl war grauenhaft und der C. stimmte mir sogar zu. Sollten etwa in Berlin die in London unverkäuflichen Stücke verramscht werde?
Doch der gute C. gibt trotzdem nicht auf und sammelt fleißig weiter. Schlimmer noch, er infizierte auch den ohnehin internetkaufsüchtigen N.„Ey cooles Hemd“, hatte der ihn empfangen, „so was brauche ich auch, mal was Freundliches fürs Büro.“ Noch am selbigen Abend bestellte er über besagten Onlineshop: drei Hemden, einen Pullover mit Hirschen darauf, drei Paar Socken und einen Schlafanzug. Zum Glück passte ihm nichts davon. Da die Sachen eher klein ausfallen hatte der N. die völlig unpassende Größe bestellt. Liebe Leser, demnächst wird bei Ebay also ein Schwung ungetragener Paul Smith Klamotten auftauchen. Bis auf den Pullover mit den Hirschen, den hat sich nämlich der C. zur Vervollständigung seiner Sammlung unter den Nagel gerissen.
Ich wurde einmal gefragt, was ich denn mal wirklich Dekadentes tun wolle, und da habe ich mir gedacht, wenn ich so richtig reich wäre, also so wirklich richtig, dann würde ich Luis Vuitton kaufen und den gesamten Laden einfach dichtmachen. Von heute auf morgen, weltweit, weil mir der Krempel genauso auf die Nerven fällt. Zu dem Zeitpunkt war ich von den Leuten am Nebentisch aber auch so was von strapaziert. „Wir entschuldigen uns für unsere Scheiße, aber unsere Käufer hatten es auch nicht besser verdient, und das Geld konnten wir gut gebrauchen!“, würde auf den Plakaten an den Ladentüren stehen. Natürlich besteht zwischen den Käufern und der Marke eine Symbiose, eine Form nervender Wechselbeziehung. Diese Käufer würden dann selbstverständlich auf eine andere Marke ausweichen. In diesem Zusammenhang fällt mir doch glatt MCM ein, von denen hat man schon lange nichts mehr gesehen, zumindest nicht hier in Berlin. Gibt´s die eigentlich noch?
Bei unserem letzten Telefonat hatte sich der C. gerade sein sechsunddreißigstes Hemd von Paul Smith gekauft. Von den Anzügen, Manschettenknöpfen, Krawatten, Pullovern, Mützen und Handschuhen mal ganz abgesehen. Ich habe das am Telefon auch glatt mal versucht zu überschlagen: „36 Hemden zu einem durchschnittlichen Preis von 150 €....“ - „Ist doch egal“, unterbrach mich der C. unwirsch, „andere sammeln halt Briefmarken.“ Auch wieder wahr, aber darum geht es eigentlich nicht. Jeder, der die Hemden von Paul Smith sieht, wird hoffentlich ebenfalls in Unverständnis versinken.
Sie sind einfach grauenhaft, also die Hemden. Definitiv entsetzlich und sehen nach gar nichts aus. Einige sind sicher schön bunt, aber sollte tatsächlich jemand an bunten Hemden interessiert sein, so möge er sich direkt zu ETRO bewegen und dort die Könige der bunten Hemden kaufen.
Als mich der C. letztlich in Berlin zum zweiten Mal besuchte, da wollte er auch direkt die Paul Smith Situation hier in der Hauptstadt ausloten. Da ich es unmöglich über mich bringe, an einem Sonnabend zum Kudamm zu fahren, und der C. diese überaus sinnvolle Marktanalyse auch nicht alleine vornehmen wollte, verblieben wir im weitaus angenehmeren Teil Berlins, im Ostteil. Hier fielen mir nur die Galeries Lafayette als potentieller Anbieter ein. Eigentlich gibt es dort doch alles, was Rang und Namen hat. Paul Smith führten sie dann zur großen Überraschung doch nicht - auf die Franzosen ist Verlass.
Abgesehen von dem völlig abwegigen Angebot von Polo Ralph Lauren, der offensichtlich einen farbenblinden Alkoholiker zum Chefdesigner gemacht hat, ist es dort auch an einem Sonnabend ganz erträglich. Natürlich befindet sich der einzig wahre und wirklich akzeptable Grund, warum man sich überhaupt dort aufhalten sollte, im Keller der Galeries Lafayette, nämlich die alles überragende Lebensmittelabteilung, die Entschädigung für alles bietet.
Auch für den vorherigen Besuch der Lounge im Opelhaus an der Friedrichsstraße, die sich Adam´s schimpft. Ein ungeheuerlicher Ort, den ich, da war ich mir zuvor souverän sicher, nie betreten würde. Das Adam´s ist völlig unterkühlt, viel zu groß und von einer angenehmen Atmosphäre meilenweit entfernt. Dem C. war es egal, er hatte ein dringendes Bedürfnis und nach dem Gelatsche auch erstmal eine kurze Pause verlangt. So saß ich also bei Opel an der Bar und konnte es nicht fassen. Der C. bestellte erstmal Weißwein.
An der Bar stand ein kleiner tragbarer CD - Player, dieser beschallte die Lounge, weil die große Anlage nach Auskunft der Bedienung kaputt sei. Die Orangenpressmaschine machte ebenfalls ganz unglaubliche Geräusche und lag mehr als deutlich in den letzten Zügen. „Die wollen hier Autos verkaufen und nicht mal die Saftpresse funktioniert“, sagte der C. kopfschüttelnd, die Bedienung zeigte keine Reaktion. Der Laden war voll, jeder Tisch besetzt, die Leute aßen und tranken. Dass sich hier derart viel Publikum aufhält, hätte ich nicht gedacht. Gegenüber, Starbucks, na gut, aber die Opel Lounge? Ich konnte es mir nur mit erschöpften Touristen erklären, wo sollten die auch sonst hin, und seien wir ehrlich: Im Umkreis der Friedrichstraße ist für Berlinunwissende nicht viel Platz zum Verweilen.
Oder waren das alles Opeltouristen, Fans? Im Hintergrund drehte sich ein Auto auf einer Drehscheibe und ein unbeschäftigter Verkäufer seine Runden, während der C. die unsrigen bestellte. „Falls es draußen regnet, wird man zumindest nicht nass, wenn man den Scheißkarren die Außenspiegel abtreten will“, stellte der C. fest, nippte an seinem Wein und bestellte, weil es so schön war, noch einen frisch gepressten O-Saft dazu. Die Bedienung war clever und stellte sich bezüglich der Bemerkungen, nicht aber der Bestellungen, weiterhin taub.
In der Oranienburger Straße fanden wir schließlich einen Laden, der Paul Smith führt. Die Auswahl war grauenhaft und der C. stimmte mir sogar zu. Sollten etwa in Berlin die in London unverkäuflichen Stücke verramscht werde?
Doch der gute C. gibt trotzdem nicht auf und sammelt fleißig weiter. Schlimmer noch, er infizierte auch den ohnehin internetkaufsüchtigen N.„Ey cooles Hemd“, hatte der ihn empfangen, „so was brauche ich auch, mal was Freundliches fürs Büro.“ Noch am selbigen Abend bestellte er über besagten Onlineshop: drei Hemden, einen Pullover mit Hirschen darauf, drei Paar Socken und einen Schlafanzug. Zum Glück passte ihm nichts davon. Da die Sachen eher klein ausfallen hatte der N. die völlig unpassende Größe bestellt. Liebe Leser, demnächst wird bei Ebay also ein Schwung ungetragener Paul Smith Klamotten auftauchen. Bis auf den Pullover mit den Hirschen, den hat sich nämlich der C. zur Vervollständigung seiner Sammlung unter den Nagel gerissen.
Ich wurde einmal gefragt, was ich denn mal wirklich Dekadentes tun wolle, und da habe ich mir gedacht, wenn ich so richtig reich wäre, also so wirklich richtig, dann würde ich Luis Vuitton kaufen und den gesamten Laden einfach dichtmachen. Von heute auf morgen, weltweit, weil mir der Krempel genauso auf die Nerven fällt. Zu dem Zeitpunkt war ich von den Leuten am Nebentisch aber auch so was von strapaziert. „Wir entschuldigen uns für unsere Scheiße, aber unsere Käufer hatten es auch nicht besser verdient, und das Geld konnten wir gut gebrauchen!“, würde auf den Plakaten an den Ladentüren stehen. Natürlich besteht zwischen den Käufern und der Marke eine Symbiose, eine Form nervender Wechselbeziehung. Diese Käufer würden dann selbstverständlich auf eine andere Marke ausweichen. In diesem Zusammenhang fällt mir doch glatt MCM ein, von denen hat man schon lange nichts mehr gesehen, zumindest nicht hier in Berlin. Gibt´s die eigentlich noch?
Bunbury - 28. Nov, 11:31