Sonntag, 6. November 2005

Die Toten reisen schnell

„Also, einem Jagdkollegen meines Freundes ist was Komisches passiert“, begann meine Bekannte U. zu erzählen. Ihr Freund J. hat nämlich vor kurzem seine Jagdlizenz erhalten und begibt sich nun auf selbige, wenn ihm der Sinn danach steht. Im Ergebnis bringt er von diesen Jagdausflügen auch immer einiges mit, hauptsächlich skurrile Geschichten. Im Rahmen der letzten Zusammenkunft erzählte ihm nun ein Kollege von der Jagd eine missgeschickliche Begebenheit:

Ein Jagdkollege lief mit seinem Dackel also durch den Wald, was Jäger wohl so tun, wenn sie nicht gerade Jägermeister trinkend auf einem Hochsitz die Zeit totschlagen. Im Laufe dieser Pirsch, am Rande eines Wohngebietes, schoss plötzlich der Dackel wie von der Tarantel gestochen los und folgte einer Witterung, die seine Jagdinstinkte bis zum Geht-nicht-mehr geweckt zu haben schienen. Nach einer Weile kam der Dackel, stolz wie Lumpi, mit einem Hasen in der Schnauze zurück. Der Kennerblick des Jägers deutete das Felltier allerdings sofort als Fehlgriff seines kleinen Kampfdackels ein. Dieser Hase war mitnichten ein wildes Kaninchen, sondern ein wohlgenährter Haushase. Irgendwo in der Nachbarschaft, so dämmerte dem Kollegen, schrie und jammerte ein kleines Mädchen. Sein Kampfdackel hatte das Lieblingstier durch einen kräftigen Biss ins Genick ins Jenseits befördert.

Zumindest Gewissheit wollte sich der Kollege nun verschaffen und spähte anreihende Häuser nach einem leeren Hasenstall aus und richtig, schließlich fand er einen solchen, ein offener Stall, Stroh, ein Wasserbehälter, aber kein Hase.

Der Ort des Massakers war gefunden.

Nun könnte man sich jetzt natürlich zur Haustür begeben, ein missmutiges und entschuldigendes Gesicht ziehen und dem, der die Haustür öffnet, den toten Hasen mit den Worten: „Also meinem Dackel ist da eine kleines Malheur passiert, aber ich kaufe Ihnen/Dir natürlich einen neuen Hasen, einen viel schöneren“, entgegenhalten. Der Kollege entschied sich jedoch für eine ganz andere: Er nahm einfach den toten Hasen, kletterte über den Gartenzaun und legte ihn wieder dorthin, wo er eigentlich hingehörte, in den Stall. Zwar tot, aber immerhin. Hasen sterben nun mal, auch das sollte man seinen Kindern sicherlich mal erklären. Das ist der Gang der Dinge. Unbemerkt in seinem Tun führte der Kollege seinen Plan aus und war mit sich, seinem Dackel und der übrigen Welt wieder im Einklang.

Eigentlich könnte man diese Episode schon so bestehen lassen, doch zum Glück erfuhr der J. bei einem Einkauf noch ein weiteres, erhellendes Detail. „Also Herr J., mir ist ja letztlich was seltsames passiert“, erzählte ein Herr, der dem J. aus einem Verein bekannt ist. „Wir haben im Garten doch immer ein Kaninchen gehabt, na ja, und eines Morgens finde ich das Viech nun tot in seinem Stall. Da habe ich das Viech in den gelben Sack getan und an die Straße gestellt und war schon froh, das dass unsere Kleine das nicht gesehen hat. Und dann, das glauben´se nicht. Ich komm´ gegen Abend wieder in Garten, da seh´ ich doch das blöde Vieh, wie es wieder im Stall liegt. Der Stall war von außen geschlossen und das blöde Viech immer noch tot, also können sie sich das vorstellen? Da bin ich bis heute noch nicht hinter gekommen.“

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Zuletzt aktualisiert: 15. Apr, 15:46

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