Dienstag, 19. Juli 2005

Zeitvertreib

Mit den Worten: „Mein lieber Bunbury, Sie werden es mir wieder sicher nicht glauben wollen, doch diese Geschichte ist mir tatsächlich heute Nachmittag passiert und rechtfertig meinen Anruf zu dieser, ach überhaupt zu jeder Stunde,“ eröffnete meine reizende und liebe Freundin I. aus H. das Ferngespräch in einem sehr heiteren Tonfall. Meine gute Freundin ruft mich nun schon seit geraumen Jahren immer dann an, wenn es ihr einfällt. Trotz meiner immer wiederkehrenden Versicherungen ihre Anrufe seien mir steht’s willkommen und erwünscht, wie überhaupt die Anrufe aller so wunderschönen Frauen, ändert dies nichts an den stetig begleitenden Entschuldigungen des jeweiligen Anrufes.

Zu dieser nachtschlafenen Stunde teilte die reizende I. mir mit, sie habe auf einer Vernissage in der vergangenen Woche einen Herrn kennen gelernt, der auf sie durchaus sehr sympathisch wirkte und dazu noch auffallend gut aussah. Als Ergebnis also ein Herr, der in der Lage sein sollte, ihr eine nette und kurzweilige Abwechslung bereiten zu können. Zufällig wohnte dieser Herr auch noch in unmittelbarer Nähe von ihrer Wohnung. Nach kurzer gemeinsamer Schmeichelei der schönen Wohngegend teilte ihr sympathische Herr der I. mit es wäre doch sicher nett, einmal gemeinsam, vielleicht am frühen Nachmittag der kommenden Tage, einen Kaffee trinken zu gehen. Zu diesem Unterfangen teilte er ihr seine Adresse mit und bat sie, einfach zu klingeln, er läge ja nun fast auf dem Weg, er würde dann sofort hinuntereilen und sie könnten gemeinsam ein nettes Plätzchen suchen. Ein kurzer Hinweis einer Bekannten, die auch auf der Vernissage zugegen war, bei diesem Herrn handele es sich um „einen ganz schönen Hallodri“, bestärkte die gute I. nur, die Chance auf einen kurzweiligen Zeitvertreib wahrzunehmen.

Der gestrige Tag war nun Ereignis der besagten Verabredung. Meine Freundin klingelte, doch statt der Worte: „Einen kleinen Augenblick, ich bin sofort unten,“ vernahm mein Freundin I. die Aufforderung doch heraufzukommen. „Eigentlich ja auch nicht ungewöhnlich. Insbesondere musste ich auch an Sie denken lieber Bunbury, wie oft verweilten Menschen, die Sie nur kurz abholen wollten, schließlich Ihrer wartend in Ihren Räumen.“ Nun ja, die gute I. ging also hinauf zur Wohnung des Herrn, der sie, in einem weißen Morgenrock aus Seide, die Tür aufhaltend, erwartete. Er hatte anscheinend gerade geduscht und musste sich noch ankleiden. I stutzte auch nur kurz, fand es aber auch nicht wirklich irritierend, schließlich war es ja auch ein spontaner Einfall mit dem Abholen zum Kaffee. Doch sollte man eventuell, wenn schon keine Telefonnummern, zumindest doch eine Email Adresse zur Kommunikation anbieten, dachte meine gute I. jetzt zumindest. „Wohin wollen wir denn gehen?“, eröffnete I. das Gespräch. „Sie glauben nicht, was mir diese Person darauf geantwortet hat, steigerte I. die Spannung ins Unermessliche, „ich sage das jetzt wirklich wortwörtlich, lieber Bunbury.“ Ich vermeinte ein Glucksen am Telefon vernehmen zu können. Er sagte: „Müssen wir denn echt vorher noch los, lass uns doch gleich ins Bett gehen, Du willst doch eh nur mit mir f*****.“ Ich konnte mich kaum beherrschen nicht laut loszuprusten. „Oh Gott, nein. Er hat Sie geduzt, einfach so geduzt?“ fragte ich. „Herr Bunbury, ich verzeihe Ihnen ihre alberne Bemerkung in Anbetracht der späten Stunde, Ihrer sicherlich nicht in unbedeutenden Mengen konsumierter alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Substanzen und aufgrund ihrer subjektiven Voreingenommenheit, die sich aufgrund der selben Geschlechtszugehörigkeit mit diesem Menschen ergibt“ die gute I. konnte dies wirklich in einem sehr ernsthaften Tonfall hervorbringen, ich hörte ein Feuerzeug am anderen Ende der Leitung schnappen.

„Nun, teure Freundin, was haben Sie dieser gewöhnlichen Person denn geantwortet?“ I. holte tief Luft und erwiderte: „ Nun, ich sagte ihm, er möge mich bitte nicht duzen und dass es mir im Traum nicht eingefallen wäre mit ihm zu f***** und das ich selbst dann nicht mit ihm f***** würde, wenn er eine von den zwei möglichen Alternativen darstellen würde, mit denen ich meine unersättliche sexuelle Begierde zu stillen in der Lage wäre. Selbst, wenn die andere Alternative nur im Museum of Modern Art in New York, angekettet und während der offiziellen Öffnungszeiten zugänglich sein sollte.“

„Und ?“, fragte ich I. begeistert. „Ach, er meinte noch, die Amerikaner würden mich dann bestimmt verhaften und hinrichten, zumindest ausweisen und ich könne mir sicher sein, niemals wieder ein Visum für die Einreise zu bekommen. Und was wäre dann, was wäre in diesem Fall, wenn er die wirklich letzte Alternative darstellen würde, gäbe es dann noch Hoffnung für eine gemeinsame geschlechtliche Interaktion oder würde ich lieber auf eine Wanderausstellung durch Europa hoffen?“ Das fragte er mich tatsächlich noch, das waren seine Worte, der hat wirklich Nerven. Ich entgegnete ihm aber, das ich mir ziemlich sicher sei, wenn ich Bush, Schwarzenegger und der restlichen Weltöffentlichkeit mein Problem schildern würde, hätten sie bestimmt Verständnis für mich. Ich würde eine lebenslang gültige Eintrittskarte für das Museum bekommen und dazu jeden Tag zwei Stunden ganz ohne Publikum Zugang erhalten, sogar am Ruhetag. Denn es würde sicherlich niemand zulassen, dass eine so ausgesprochen hübsche und charmante Frau wie ich es bin mit so einem Würmchen wie Ihnen vorlieb nehmen muss. Daraufhin knallte er die Tür zu. Vielleicht habe ich einen wunden Punkt berührt? Ach, so ein Idiot, so ein dummer Idiot, wirklich schade“ jammerte meine Freundin I. aus H.

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