Wo soll die Reise hingehen?

In den Urlaub, genau, aber wohin. Eigentlich sollte es ja ein schöner Sommer werden, deshalb hatte ich dieses Jahr nichts geplant. Keine Fahrt im September durch Frankreich oder Italien. Kein Aufenthalt ganz weit weg. Der richtige Zeitpunkt Berlin zu verlassen, so haben mir die letzten Winter gezeigt, ist der Januar oder Februar, dann wenn das kalte und ungemütliche Wetter hier in Berlin beginnt, auf die Seele zu schlagen und Verursacher depressiver und trübseliger Gedanken wird. Zweimal schon hat es mich erwischt, doch diesmal wollte ich alles anders machen. Den vielleicht letzten freien Sommer in Berlin verbringen. Die Seele baumeln lassen. So viele Partys mitnehmen wie möglich. Die neue Freiheit mit neuen Flirts bestätigen, wieder sehr jung sein, den „Ferien für immer“ Sommer. Vielleicht noch ein paar kurze Ausflüge übers Wochenende, ein paar weitverschlagene oder hängengebliebene Freunde besuchen.

Doch wir wissen es alle besser: Dieser Sommer war ganz großer Mist. Und immer, wenn man dachte, ermutigt durch zwei drei strahlende Tage, „ah, jetzt geht es los“, dann klopften einen die Regentropfen an den Fensterscheiben aus dem Schlaf, wie Schläge ins Gesicht. Und wir fuhren nicht an den See...in den Park...oder... Lustlosigkeit, die sich irgendwie übertragen hat auf vieles andere.

Einen Tapetenwechsel aus purem Aktionismus? Da ich sicherlich alleine fahren muss, alle anderen sind mehr oder weniger glücklich verpaart und scheiden daher aus, kann ich seit langem ohne Kompromiss entscheiden. So könnte ich einen Trip unternehmen, um ein paar offene Rechnungen zu begleichen, verpasste Chancen wieder wett machen:

I. Las Vegas

Also, zum einen kitzelt mich immer noch die Tatsache in einem Hotelcasino in Las Vegas beim Roulette fünfzig Dollar verloren zu haben. Eigentlich sollte es mir wirklich egal sein, aber so nachwirkend...ich bin wirklich nicht kleinlich, aber das Geld im Kasino gelassen zu haben, nervt.

„Jetzt hör doch auf“, sagte mein Mitreisender schwitzend, als ich noch mit 160 Dollar vorne lag. Aber so bescheiden bin ich ja auch, die 160 möchte ich ja gar nicht, sondern nur meinen Einsatz.

Dabei ließ es sich wirklich gut an. Ich spielte Roulette, die Kugel erwies sich zu freundschaftlichen Gesten mir gegenüber zugeneigt und mein reiflich überlegter Plan war der Hit: Immer auf die Zahl setzen, die als nächstes kommt – nee, Blödsinn. - So war´s: Ich wartete an einem Spieltisch bis eine Farbe drei bis vier Mal hintereinander gekommen ist und fing dann auf die ausstehende an zu setzen. Ich setzte also immer nur auf Rot oder Schwarz. Fünf Dollar und bei Verlust verdoppelt, also 10,20...eigentlich eine sichere Sache... Zehnmal mal Schwarz hintereinander darf doch eigentlich auch gar nicht sein, unerhört und sehr ärgerlich. Letztendlich hat der Plan auch einen Haken, aber ich hatte das Geld ja immerhin verdreifacht. Ich wollte mich zunächst auch nicht lumpen lassen und einen weiteren Traveller-Scheck in solide Plastikchips umtauschen, aber meine Begleitung stieß ganz unglaubliche Drohungen aus.

Nach Vegas müsste ich unter Umständen auch nicht alleine, weil ein guter Freund bei diesem Thema leuchtende Augen bekommt und wohl noch weich zu klopfen ist. Leider ist seine Freundin strikt dagegen und droht mit sofortiger Trennung. Zugegeben sind ihre Befürchtungen nicht ganz unbegründet, letztlich halte ich die Drohung mit der Trennung aber für einen Bluff.

Freund B. spricht sogar von einem sicheren System. Es wurde von seinem Opa entworfen und akribisch aufgeschrieben. Der hat zwar dabei Haus und Hof verspielt und für den letzten großen Einsatz keine Reserven mehr gehabt, aber was soll´s. Das „System“ baut übrigens, genau wie mein Ansatz, auf Verdoppelung der Einsätze auf.

Tja, auch der Umstand, dass B. mit seiner Familie am ersten Weihnachtstag aus Tradition um Geld Karten spielt finde ich nun nicht wirklich besorgniserregend. Zwar ist dem B. das Geld der Oma schon in manchen Jahren auf diesem Weg von einem anderen Familienmitglied im Laufe der Nacht des ersten Weihnachtstages entzogen worden, doch kann man ja Roulette mit Karten nicht wirklich vergleichen.

Auch ein weiter Punkt macht Vegas interessant, nämlich die wahnsinnige Achterbahn, die sich vor dem Hotel „New York New York“ befindet. Achterbahn fahre ich wirklich gerne, leider war ich an diesem Tag viel zu verkatert, und falsche Rücksichtnahme und die Angst vor irrwitzigen Schadensersatzklagen, hielten mich damals von einer Fahrt fern. „Mordsfahrt“, murmelte mein Begleiter und war für weitere zehn Minuten bleich und ruhig.
arboretum - 31. Aug, 17:26

Am Roulettetisch sehen Sie dann aber auch nicht die Sonne. Und der Winter ist danach noch lang.

burnston - 31. Aug, 23:37

Ach, Frau Arboretum, lass dem Bunbury doch seinen Gauklerspaß. Wer Bunbury heisst, ist im Oscar Wildesten Sinn doch ohnehin eine Spielernatur.

Bunbury - 1. Sep, 00:23

Na, in Vegas scheint doch während des Tages auch die Sonne und wer geht schon jenseits der Dunkelheit in´s Casino. Ernsthaft, Vegas lädt auch nicht gerade zum Verweilen ein und sollte nur besucht sein, wenn man ohnehin zufällig in der Nähe ist. Zwei Tage habe ich die Stadt ertragen und auch wirklich nur im Rausch. Das Geld zurückgewinnen und ab an´s Meer. Vielleicht nach Santa Monica oder ein stilles Motel am Rande des 101.
arboretum - 1. Sep, 08:20

@ Burnston: Natürlich lass ich dem werten Herrn Bunbury sein Vergnügen. Das war doch nur die indirekte Aufforderung, mit den Alternativen II und III 'rauszurücken.

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