Samstag, 25. Februar 2006

White Trash Fast Food

So, hier gibt es jetzt einen neuen Laden, der mich begeistert. Das Ding ist wirklich abgefahren. Neu ist der Laden natürlich nicht wirklich, neu nur hier in der Schönhauser, weil er sich früher - wesentlich kleiner - in der Torstraße befand.

Voraussetzung für einen gelungenen Aufenthalt im White Trash Fast Food ist zunächst ein gewisser alkoholischer Grundpegel. Den Laden nüchtern zu betreten wäre ganz falsch, und würde die erste Wirkung dieser Begegnungsstätte weit unter ihrem eigentlichen Potential verpuffen lassen, und das muss ja nun wirklich nicht sein, eine lohnende Investition also. Wer zum ersten Mal den Besuch des White Trash, der Name ist übrigens Programm, beabsichtigt, der sollte dies unbedingt am Freitag oder Sonnabend tun, denn nur an diesen Tagen trifft einen die Atmosphäre dieses Schuppens, und vielleicht noch die eine oder andere Sache, mit voller Wucht.

Am Wochenende betritt man den Laden über eine schmale Treppe, die in den Keller führt. Man berappt lockere fünf Euro, und schon geht der Affentanz los. Rechts befindet sich eine Garderobe, wenn sie nicht gerade völlig von umherstehenden Menschen verdeckt ist. Gegenüber ist eine Art Gewölbe/Höhle, an deren Ende sich eine Bühne befindet, die regelmäßig von Live Bands belegt wird. Bislang haben die auch alle ganz gut gerockt, vom mitgerissenen und ausflippwilligen Publikum mal ganz abgesehen, zumindest soweit ich mich erinnern kann.

Über eine schmale Treppe gelangt man schließlich in das Erdgeschoss und damit in die eigentliche Räumlichkeit. Zunächst erblickt man einen Tresen, manchmal jedenfalls, hinsichtlich dieser Problematik verweise ich auf die Garderobe.

Wie dem auch sei, der Laden ist irre groß, jedoch ohne dabei unangenehm zu wirken. Bei meinem ersten Besuch musste ich unwillkürlich an den „Titty Twister“ aus dem hochgeschätzten Tarantino Film „From Dusk Till Down“ denken. Natürlich nur von den Schwingungen her, um mich dieses abgegriffenen, wenn auch alternativlosen Wortes einmal zu bedienen: Die Einrichtung ist schon anders, eher so Western – Asiatisch, in einem ehemaligen Irish Pub.

(Ich hoffe, ich habe mich da nachvollziehbar ausgedrückt, aber nachvollziehbarer ist das ästhetisch kaum nachvollziehbare Interieur kaum zu beschreiben. Ein Innenarchitekt würde qualvoll sterben. Irgendwann schwebte über mir doch tatsächlich ein Drache aus roten und gelben Luftballons.)

Das Publikum ist übrigens angenehm gemischt und reicht von einer überraschend hohen Anzahl potentieller Covergirls bis zu den Typen, um die man lieber einen Bogen schlüge, wenn einen die Strömung denn ließe. Es ist alles vertreten, und die Atmosphäre dabei aber durchaus entspannt. Selbst bei den fertigsten Typen ahnt man, dass sie den Anstand hätten, höchstens noch zwei- bis fünfmal nachzuzutreten, wenn man bereits besinnungslos am Boden läge. Aber all das stört hier nicht, vielmehr würde man sich über eine ausbrechende Schlägerei gar nicht besonders wundern: Es ist das Gefühl einer absoluten Sicherheit. Wer Interesse hat, macht mit; wer nicht, wird von allen trotzdem höflich behandelt und seinen eigenen Gedanken überlassen.

Im Erdgeschoss, wie auch im zweiten Stock, stehen Tische, unzählige Tische, an denen man die Küche des Ladens ausprobieren kann. Genau genommen wird aber überall gegessen, eben da, wo Platz ist. Man stellt sich einfach irgendwo hin, die Kellner geben dabei auch nicht auf, den Besteller zu suchen. Sobald Sie einen gestellt haben, reagieren sie zwar ein wenig pampig, weil sie mit einem gut belegtem Teller ein paar Runden durch diesen Kessel drehen mussten, was neben bei bemerkt eine kolossale Leistung ist, ich könnte das jedenfalls nicht. Die Bemerkung: „Das Essen ist aber schon ein bisschen kalt, was?“, sollte man sich allerdings in dieser Situation verkneifen. Kommt zwar gut, aber nicht an.

Gesehen habe ich einiges, in erster Linie Fettzeug, was das Essen hier betrifft. Viel Frittiertes in unübersichtlichen Portionen. Den Cheeseburger habe ich probiert, er ist gut und besteht nicht aus den sonst üblich vorgefertigten Mettscheibletten, die es in Supermärkten zu kaufen gibt, sondern wird selbst zusammengeklatscht. Das birgt natürlich ein gewisses Risiko, aber auch hier wischt das Gefühl einer unbekümmerten Sicherheit alle Bedenken vom Tisch. Der Burger kommt übrigens mit recht leckeren Pommes daher. Auf der Karte entdeckte ich sogar Tafelspitz, was ich hingegen seltsam fand.

Nach dem Essen kam dann doch tatsächlich so ein seltsam verhuschter Typ mit einer Plastikschachtel auf mich zu. „Willst´e ´nen Spacecake“, fragte der mich doch tatsächlich. Einen Spacecake, ich konnte es nicht fassen, unglaublich. Die ganze Schachtel war voll und nur Gott wusste wie viel genau noch in seinem Army - Rucksack stecken mochten. Komplett verrückt. Aber drei Euro fand ich o.k. Leider musste ich den Keks mit meiner Begleiterin teilen. Teilen bringt nichts, hier spürte man´s wieder. Also: Pro Kopf mindestens einen Keks, machen Sie in dieser Beziehung keine Kompromisse. Sonst hat da am Ende nämlich keiner was davon, also abgesehen von dem Typen mit den drei Euro. Die Geschäftsidee oder nennen wir es ruhig Berlin – Like das „Projekt“, läuft aber offensichtlich super. Die Schachtel war nämlich relativ schnell leer und der Typ beabsichtigte noch weitere Läden zu beglücken, sehr gut. Schätze, da kommt so einiges zusammen, steuerfrei. Zweihundert Kekse bringt der mindestens am Abend unters Volk. Ach, mehr noch. Das hier müssen schon an die Hundert gewesen sein. Alle um mich herum haben diese Kekse gefressen. Warum ich von dem einfach so den Keks gekauft habe, kann ich im Nachhinein auch gar nicht sagen. Schließlich ist das mit diesem selbstgebackenen Krempel immer so eine Sache hinsichtlich der Inhaltsbestimmung oder etwaiger Hygienevorschriften. Aber da war es auch wieder, dieses über allem schwebende Gefühl der Sicherheit.

Bei den Toiletten sollten Sie allerdings aufpassen. Ich habe die Sanitäreinrichtungen nämlich nicht gefunden, obwohl ich auch nicht wirklich gesucht habe, ging auch so noch bis nach Hause, wenn Sie es genau wissen wollen. Ein Bekannter suchte aber tatsächlich eine ganze Weile und traf schließlich am Ende der Odyssee auf eine große Schlange von Wartenden. Hinsichtlich der Toiletten verweise ich insofern auf die Bar im Erdgeschoss und die Garderobe im Keller. Nicht zur Erleichterung, sondern bezüglich der Gefahr, dass sie einfach übersehen werden vor lauter Andrang. Machen Sie sich also nicht in letzter Minute auf den Weg.

Das White Trash wird hiermit uneingeschränkt empfohlen.

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